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Palais F*luxx

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Lesen oder Lassen?

Buchbesprechung: „Unlearn Patriarchy“


Worum geht es?
Das Patriarchat ist immer noch (wirk)mächtig – und das, obwohl wir inzwischen im 21. Jahrhundert leben. Und weshalb das so ist, untersuchen die 15 Essays sehr kluger FLINTA* wie u. a. Emilia Roig, Teresa Bücker, Kenza Ait Si Abbou, Kristina Lunz und Linus Giese in der Anthologie „Unlearn Patriarchy“. Die Autor:innen und Expert:innen reflektieren eigene Erfahrungen und fatale Denkmuster und regen an, unbewusste schädliche Strukturen zu erkennen und aufzulösen. Jeder Essay widmet sich einem Thema (Unlearn Sprache / Liebe / Gender / Arbeit / Wissenschaft / Rassismus / Bildung / Kapitalismus etc.).

Was kann das Buch?
Anregen zu hinterfragen, nachzudenken, zu verstehen und zu handeln! Denn: Das Patriarchat schadet nicht nur uns Frauen – und hat schon lange ausgedient. Nur, dass es noch in unser aller Zellen steckt. Wir (er)tragen das System oder tappen in Fallen und stecken in alten Vorstellungen und traditionellen Rollenbildern fest. Diese Erkenntnis ist ziemlich unangenehm, wie ich beim Lesen feststellen musste. Und wenn wir erfolgreich im Job sein wollen, passen wir uns kapitalistischen Strukturen – von Männern für Männer gemacht – bisweilen an. Weil: It is a man´s world.

„Wir hängen als gesamte Gesellschaft in veralteten Rollen- und Geschlechterbildern, die sehr wenig Unterschiedlichkeit zulassen“, so Lisa Jaspers, Autorin und Co-Herausgeberin, „[…] das machen wir uns sehr selten bewusst.“ Unlearn Patriarchy bedeute Freiheit und Gerechtigkeit für alle. Und das sei nur gemeinsam zu schaffen. Der Slogan „Smash The Patriarchy“ müsse neu gedacht werden, sagt sie, denn: „Wie sollen wir das Patriarchat zerstören, wenn wir es selbst in uns tragen?“

Warum sollte mich das interessieren?
Unlearn! Wenn wir das Patriarchat verlernen wollen, müssen wir Strukturen und Mechanismen, die Frauen benachteiligen und unterdrücken, identifizieren und neu denken. Verlernen und lernen! Und Platz für Neues schaffen. Dank der Neuroplastizität können Lernvorgänge neu aufgesetzt, neue Leitlinien erlernt und alte verlernt werden. Das macht Hoffnung! Denn ohne, dass wir in die Aktion gehen, wird sich nichts verändern. Der Global Gender Gap Report des Weltwirtschaftsforums stellt dieses Jahr fest, dass Frauen und Männer erst in 132 Jahren gleichgestellt sein werden. Ein Rückschritt. 2020 waren es „nur“ 99,5 Jahre bis zur vollständigen Gleichstellung der Geschlechter.

Man (Frau!) sollte dieses Buch unbedingt lesen, denn die klugen und eindringlichen Essays geben optimistische und radikale Impulse für ein freies, selbstbestimmtes und gleichberechtigtes Leben.

Die Herausgeberinnen
Lisa Jaspers hat mit „Folkdays“ das angestaubte Image von Fair-Trade-Produkten aufpoliert. Durch den Verkauf von Kleidung, Schmuck, Taschen usw. hat sie für Hunderte von Menschen aus den ärmsten Regionen der Welt ein Einkommen geschaffen. Lisa hat Politik und Entwicklungsökonomie studiert und arbeitete als Beraterin u. a. für Oxfam, wo sie Naomi Ryland kennenlernte.

Naomi Ryland lebt seit 2008 in Berlin und ist Gründerin von tbd*, der Karriere-Plattform für Menschen, die sich auf Sinnsuche befinden. Über tbd* haben sich bereits eine Million Menschen über nachhaltige Jobs informiert, sich mit Gleichgesinnten vernetzt oder das für sie passende Team rekrutiert. Naomi Ryland ist Gründungsmitglied von SEND (Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland).

Silvie Horch studierte nach einer Ausbildung zur Verlagskauffrau Germanistik, Soziologie und Psychologie in Frankfurt/Main. Seit 2005 ist sie Sachbuchlektorin bei den Ullstein Buchverlagen in Berlin.

Kostprobe:
Die Autorin Kübra Gümüşay (Unlearn Sprache) schreibt, „das Patriarchat zu verlernen, Klasse zu verlernen, Rassismus zu verlernen bedeutet nicht, deren Existenz zu leugnen. Es meint nicht, deren Gewalt zu ignorieren. Es beinhaltet nicht, deren Systematik und strukturelle Natur zu negieren. Verlernen bedeutet, den Missstand ganz genau zu studieren und es genau deshalb anders zu machen. Nicht weil es einfach wäre, sondern obwohl es so schwierig ist. Nicht weil alles ginge, wenn man nur wollte, sondern obwohl gewollt ist, dass es nicht geht.“

*FLINTA steht für Frauen, Lesben, intersexuelle, nicht-binäre, trans und agenda Personen. „Agenda“ ist nicht die deutsche „Agenda“, sondern ein englischer Begriff und steht für Menschen, die sich in keinem Geschlecht (Gernder) zuordnen.

Herausgeberinnen: Lisa Jaspers, Naomi Ryland, Silvie Horch: Unlearn Patriarchy, 320 Seiten, 14,99 €, Ullstein Buchverlag

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Buchbesprechung: Sohra Nadjibi

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