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Lesen oder Lassen?

Buchbesprechung: „hell & hörig“ von Ulrike Draesner



Worum geht es?
Bei „hell und hörig“ handelt es sich um eine gelungene Rückschau von insgesamt sieben vorangegangenen Lyrik-Bänden innerhalb einer 25-jährigen Schaffensphase von Ulrike Draesner, alle zuvor in unterschiedlichen Verlagen erschienen. Dazu gesellen sich als Novum ca. 30 bis dato unveröffentlichte Poeme. Die Aufteilung erfolgt in 12 Kapiteln.
Wer das literarische Schaffen der renommierten deutschen Autorin schon länger verfolgt, findet hier also bisher unbekannte lyrische Schätze: verspielte Verse, einen gekonnten Sprachwitz, aber auch Andocken an Alltags- und Jugend-Sprache. Außerdem beweist Draesner sehr ihr komisches Talent, wenn sie zum Beispiel Übersetzungen von Coverversionen klassischer Beatles-Songs ins Bayerische („Gelbe Suppmarie“) vornimmt. 
An anderer Stelle trauert die Autorin um ein fehlgeborenes Kind in der Vergangenheit und kurz später erzählt sie freudig, aber auch begleitet von einer durchschimmernden Unsicherheit, von ihrem aktuellen Leben mit Kind. Zeitgleich erfahren wir, dass ihre eigenen Eltern älter geworden sind und ihren Umgang damit.   

Was kann das Buch und was hat das mit mir zu tun?
Die Sprache, in der uns Ulrike Draesner ihre Gedankenwelt und ihren Erfahrungshorizont vermittelt, ist nicht erst seit gestern elegant und geschliffen und dockt sich trotzdem an das moderne Leben an.
Obwohl die Gedichte so präzise ausgearbeitet sind, lassen sie Raum für Experimente (immer wieder werden auch englische Redewendungen eingeflochten, die Autorin hat u. a. in Oxford gelebt).
Es bereitet Vergnügen, tief abzutauchen in zum Beispiel die Kindheitserinnerungen Draesners, der Garten ihres Elternhauses steigt der Leserin förmlich in die Nase.
Der Ausdruck, den sie für ihre Weiblich- und damit auch verbundene Körperlichkeit findet, löst bei mir einen empathischen Wiedererkennungswert aus.
Draesners Verse haben etwas Beruhigendes und dennoch intellektuell Stimulierendes. Ihr innerer Monolog legt sich auf das (eventuell zu besänftigende) Gemüt.

Was ist das Besondere daran?
Nun ist die erste umfassende Zusammenstellung Draesners Werk auf dem Büchermarkt, die auch Einblick in die Entstehungswege der Autorin
in ihre Dichtung verschafft. Ebenso die Text-Collagen, die den Kapiteln vorangestellt werden, sind bemerkenswert.
Die Worte im Buch scheinen ihren Weg aus dem Körper in die geschriebene Sprache gefunden zu haben.

Warum ist die Autorin interessant?
Der lyrische Ton der 1962 geborenen Draesner ist über die Jahre, trotz kontinuierlichem und beständigem eher „Mainstream“-Erfolg, immer besser geworden und sehr frisch geblieben. Diese Verse bewegen sich nicht in einem literarischen Elfenbeinturm, sondern schauen erst einmal in sich hinein, bevor sie herausschauen. Hier spricht eine verletzliche (und auch manchmal sehr verletzte) weibliche Stimme, die konzentriert (nicht nur) ihre Autobiographie reflektiert. Die Zahl der ihr verliehenen Preise und Stipendien bestätigen ihr Renommee und das Kontinuum ihres schriftstellerischen Schaffens.
Seit April 2018 lehrt Draesner in Leipzig am Deutschen Literaturinstitut.

Kostprobe:
(in der siebten nacht)

im traum gehen die hügel
von mir weg. sie sind
meine brüste. im traum
verliere ich was mir wert
kommt mir abhanden
die kerze, der rosa strumpf
schlüssel und schuh. ich werde
pilzsucherin. ich gehe 
ins feld, mit einem korb. vor mir
buddelt ein schwarzer hund.
heimlich über den rand eines hügels
gebeugt, sehe ich ihn, er gräbt 
trüffel aus, das gelände  ist dunkel
und roh. in weiten maschen hängt
mein roter pullover mir über den
bauch. eine warme hand legt sich
auf mein ohr. mein körper kommt 
zu mir zurück. reissverschlüsse
schnappen an mir auf und zu.

Ulrike Draesner: „hell & hörig“, Penguin Verlag, 272 Seiten, 24 Euro. Hier bestellen

Rezension: Julia Mantel

Im Rahmen des Erlanger Poetenfestes bestreiten Ulrike Draesner und Julia Mantel zusammen am 25. August die Lesung „Bayern2 Nacht der Poesie – Poesie und Poltik“

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