Close

Palais F*luxx

Online-Magazin für Rausch, Revolte, Wechseljahre

Close

Es befinden sich keine Produkte im Warenkorb.

Lesen oder Lassen?

Buchbesprechung: Staat der Angst

Worum geht es?
Ein Bus wird in die Luft gesprengt. Dann noch einer. Und ein dritter soll folgen. Die amerikanische Außenministerin, die gerade von ihrem ersten Antrittsbesuch zurückkehrt, steckt mitten im Geschehen. Eine Mitarbeiterin scheint mehr zu wissen, auch ihr eigener Sohn ist in die Geschehnisse verwickelt. Im Weißen Haus scheint nicht jeder mit offenen Karten zu spielen – die Jahre der alten Regierung (Ähnlichkeiten mit realen Ex-Präsidenten sind wohl kaum zufällig) haben ihre Spuren hinterlassen. Wer ist loyal, wer findet zurück zu denjenigen, die ihn lieben, welche neuen Allianzen bilden sich und wem kann man vertrauen? Überraschende Antworten halten die Spannung hoch. 

Warum ist das gut?
„Gut“ ist ein schwieriges Wort, wenn es um Terroranschläge geht. Vor allem, wenn man davon ausgehen kann, dass das beschriebene Zusammenspiel der politischen Akteure nicht der Fantasie einer Schriftstellerin entsprungen ist, sondern auf echten Erfahrungen basiert. Das Buch macht Angst. Nicht unbegründet, denn wir sind inzwischen durch Anschläge oder Kriegshandlungen nicht weit von der Situation entfernt, in der die globale Ordnung ins Chaos stürzt. Dennoch ist das Buch vor allem spannend. Und menschlich. Denn die beiden Autorinnen haben viel Liebe in die Ausarbeitung der einzelnen Figuren gesteckt. Es ist auch kein Thriller, der die Actionszenen des glorreichen Helden in den Vordergrund stellt und sie mühevoll mit Dialogfetzen oder Sexszenen verbindet. Die Protagonistin in „Staat der Angst“ kämpft mit ihren eigenen Ängsten und ist nicht perfekt – wenn beim Nachtflug das Dreiwettertaft nicht dabei ist, sitzt die Frisur eben nicht mehr. 
Nicht zu übersehen ist der Frust über einige Politiker der letzten Jahre. Seitenhiebe wie die verwuschelte Frisur des britischen Premierministers oder die Residenz, die das mangelnde Selbstbewusstsein des ehemaligen amerikanischen Präsidenten kompensieren muss, haben mich immer wieder kichern lassen. Und meinen Respekt für alle Menschen, die unter diesen Bedingungen ethisch handeln und konstruktive Politik betreiben wollen, steigen lassen. Sex gibt es übrigens nicht. 

Was hakt? 
Zu Beginn stolperte ich über die Authentizität. Bei fast jeder Beschreibung drängte sich mir der Eindruck auf: Hier holt Hillary Rodham Clinton ein paar Erinnerungen hoch und nutzt das Buch, um das zu sagen, was sie während ihrer Amtszeit nicht sagen konnte. Es dauerte etwas, bis ich Ellen Adams und nicht mehr Hillary Clinton gesehen habe. Der größte Haken war danach die Tatsache, dass ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen konnte.

Was hat das mit mir zu tun?
Hillary Rodham Clinton schreibt in der Danksagung: „Dieses Buch ist Fiktion, aber die Geschichte, die darin erzählt wird, trifft den Nerv der Zeit. Es ist an uns, dafür zu sorgen, dass sie fiktiv bleibt.“ 
Bei Thrillerautor:innen kann ich mir immer sagen: Das ist Fiktion. Bei diesem Buch hatte ich das Gefühl, dass wir uns sehr nah an der – erschreckenden – Realität bewegen. Nach der letzten Seite war ich hin- und hergerissen. Auf der einen Seite standen schöne Lesestunden mit einer spannenden Handlung und lebendigen Figuren. Auf der anderen Seite ein Thema, das nicht gerade für ruhigen Schlaf sorgt. Insofern ist das Buch nicht nur irgendein Thriller für mich gewesen, sondern hat mich dazu motiviert, wach zu bleiben und ein Gegengewicht zu negativen Entwicklungen zu bilden. 

Warum sind die Autorinnen interessant?
Der Verlag wirbt mit dem Satz: „Dieser Thriller gibt Einblicke, wie nur eine Insiderin sie wissen kann!“ Damit wäre schon mal erklärt, warum die eine Hälfte des Autorinnenteams interessant ist. Der Plot entstand in Gesprächen über die Frage, was sie als Außenministerin um drei Uhr nachts aus dem Schlaf fahren ließ und hat eins ihrer drei Albtraumszenarien zum Inhalt. 
Louise Pennys Bücher begleiten mich schon lange. Unsere Krimibuchhändlerin kennt mich in bestimmten Aspekten besser als mein Mann und hatte ihm Pennys ersten Inspektor-Gamache-Krimi als gutes Geschenk für seine Frau empfohlen. Dass ich mich an meinem letzten Geburtstag auch über das 18. Buch der Reihe gefreut habe, spricht für Pennys Fähigkeit, verwickelte Plots, komplexe Figuren und lebhafte Beschreibungen zu Papier zu bringen.

Leseprobe:
„Es war das Gesicht einer selbstbewussten, kultivierten, gebildeten Außenministerin, die die mächtigste Nation der Welt repräsentierte. Doch letzten Endes was es nur eine Fassade. Ellen Adams erkannte etwas anderes in ihrem schemenhaften Spiegelbild. Etwas Unheimliches, das sie normalerweise sogar vor sich selbst verbarg. Die Erschöpfung hatte ihre Schutzmauern zum Einsturz gebracht und es sichtbar werden lassen.  Sie sah Furcht. Und deren nahen Verwandten, den Zweifel.
War es echt oder bloß Einbildung? Ein unsichtbarer Feind, der ihr einflüsterte, dass sie nicht gut genug sei. Ihrer Aufgabe nicht gewachsen. Dass sie irgendwann einen Fehler machen würde, durch den sie das Leben von Tausenden, vielleicht Millionen Menschen gefährdete.“

Hillary Rodham Clinton, Louise Penny: „Staat der Angst“, übersetzt von Sybille Uplegger, HarperCollins Taschenbuch, 560 Seiten, 14 Euro

Hier Bestellen:

Rezension: Britta Scholten


Close