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Lesen oder Lassen?

Buchbesprechung „Weißen Feminismus canceln – Warum unser Feminismus feministischer werden muss“ von Sibel Schick

Worum geht es?
In ihrem Buch beleuchtet Sibel Schick die Missstände und blinden Flecken innerhalb des Feminismus, die durch Privilegien geprägt sind. Sie macht deutlich, wie eine oft unbewusste Exklusivität und Abgrenzung gegenüber marginalisierten Gruppen auch innerhalb feministischer Bewegungen entstehen – sei es durch Klassenzugehörigkeit, Migrationsgeschichte oder Hautfarbe. Dabei ist ihr Stil direkt und verständlich, was das Buch auch für feministisch interessierte Leser:innen ohne theoretische Vorkenntnisse lesbar macht.

Was kann es?
Sibel überzeugt mit einer fundierten Analyse, die nicht nur problematische Aspekte aufzeigt, sondern auch neue Perspektiven eröffnet. Besonders eindrücklich fand ich ihre Auseinandersetzung mit Klassismus und deren Auswirkungen auf den Feminismus. Die Kritik daran, dass sich die oft weiße, akademische Perspektive des Feminismus eher auf individuelle Selbstoptimierung konzentriert und systemische Probleme wie Armut und Diskriminierung zu wenig berücksichtigt, bringt sie klar und nachvollziehbar auf den Punkt. Anhand von konkreten Beispielen zeigt sie, wie der Fokus auf den individuellen Erfolg – „Jede Frau kann alles erreichen, wenn sie nur will” – von der Realität vieler Frauen weit entfernt ist und sogar die gesellschaftliche Ungleichheit aufrechterhalten kann. Hier greift sie einen zentralen Punkt auf, der auch in Francis Seecks Buch Klassismus überwinden behandelt wird. Francis Seeck geht tiefer in die Ursachen und Folgen von Klassismus ein und bietet Ansätze, wie die Gesellschaft diesen überwinden könnte – eine ausgezeichnete Ergänzung zu Schicks kritischer Analyse.

Was hat es mit mir zu tun?
Das Buch hat mich extrem angesprochen, da ich mich mit vielen feministischen Ideen identifizieren kann, jedoch auch meine eigenen Privilegien reflektieren musste. Sibel führt eindringlich vor Augen, dass ein Feminismus, der sich nur auf Frauen der Mittel- und Oberschicht konzentriert, andere Frauen ausschließt. Das fordert auch mich heraus, meine eigene Rolle und Verantwortung zu überdenken und darüber nachzudenken, wie ich Feminismus inklusiver gestalten kann. In einer Zeit, in der Feminismus oft als individualistische Selbstverwirklichung interpretiert wird, ist Sibels Plädoyer für Solidarität und die Einbeziehung aller Frauen, unabhängig von Herkunft oder sozialem Status, wichtiger denn je.

Warum also sollte mich dieses Buch interessieren?
„Weißen Feminismus canceln“ öffnet Augen für die Vielfalt und Vielschichtigkeit feministischer Kämpfe, die oft im Schatten eines Mainstream-Feminismus stehen, der in vielen Fällen von wohlhabenden, weißen Frauen definiert wird. Gerade für Frauen, die den Feminismus der letzten Jahrzehnte miterlebt haben, ist dieses Buch eine Einladung, die Bewegung neu zu denken und Barrieren zu erkennen, die uns bislang vielleicht unsichtbar erschienen. Es bietet Denkanstöße, die eigene Haltung zu hinterfragen und sich für einen Feminismus zu engagieren, der wirklich allen Frauen zugutekommt – unabhängig von ihrer sozialen oder ethnischen Herkunft.

Sibel Schick hat ein wichtiges, aufrüttelndes Buch geschrieben, das uns alle herausfordert, feministische Solidarität neu zu denken und endlich auch Stimmen jenseits der weißen, akademischen Mittelklasse Gehör zu schenken. Ein klares Lese-Muss für alle, die bereit sind, ihre Perspektiven zu erweitern und den Feminismus konsequent inklusiv zu gestalten.

Über die Autorin
Sibel Schick ist freie Autorin und Journalistin, Kolumnistin, Podcasterin, Speakerin und Social Media-Redakteurin. Sie ist 1985 in Antalya (Türkei) geboren und lebt seit 2009 in Deutschland. Sie gibt den monatlichen Newsletter „Saure Zeiten“ heraus und ist Kolumnistin bei campact.de

Kostprobe
Genauso wie ihre Vorkämpferinnen, die Suffragetten, es damals taten, orientieren sich die weißen Feministinnen nicht an Gerechtigkeit, sondern am Status weißer Männer. Anstatt den ganzen Tisch umzuwerfen (oder am besten abzufackeln, hehe), fordert der weiße Feminismus, dass eine begrenzte Zahl an Frauen mit am Tisch sitzt – diejenigen mit dem goldenen Ticket. Der Kampf um diesen Platz am Tisch der weißen cis Männer wird aber auf Kosten anderer geführt: armer Menschen, migrantischer oder migrantisierter Personen, trans Personen, behinderter Menschen, Sexarbeiter*innen, die Liste ist lang. Teil eines diskriminierenden Systems zu werden funktioniert nämlich nicht anders, als dass man darin selbst zur Täterin wird.

Buchbesprechung: Simone Glöckler

Weißen Feminismus canceln – Warum unser Feminismus feministischer werden muss von Sibel Schick, S. Fischer Verlag, 256 Seiten, 25 Euro
Bestellen könnt Ihr das Buch bei unserer Buchhandlung des Herzens cohen + dobbernig in Hamburg. Ansonsten kauft es bei Eurer lokalen Buchhandlung.

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