Buchbesprechung: „Drei Schalen von Michela Murgia
Die italienische Schriftstellerin ist im Jahr 2023 mit nur 51 Jahren gestorben. Der Erzählband „Drei Schalen“ ist ihre letzte Veröffentlichung. Wie hat sich der nahestehende Abschied auf ihr Schreiben ausgewirkt? Silke Burmester ist der Frage nachgegangen
Worum geht es?
Das Buch besteht aus einzelnen Erzählungen, die wahrscheinlich miteinander verwoben sind. So klar lässt sich das nicht sagen, beziehungsweise fehlt oft die eindeutige Zuordnung. Das ist einerseits ein wenig schade, gleichzeitig nicht schlimm, weil jede Geschichte einen ganz eigenen Zauber hat. Mal mehr, mal weniger intensiv.
So lernen wir eine Frau kennen, die sich nach dem Auszug ihres Sohnes die Pappfigur eines koreanischen Popstars ins Zimmer stellt; eine junge Frau, die erzählt, dass es immer hieß, Frauen könnten keinen Handball spielen, weil ihre Hände zu klein seien und die es dann doch tut. Eine Frau, die überlegt, wie sie ihren Tumor nennen könnte, und ganz zum Schluss sind wir dabei, wenn nach dem Tod die Schwester der Verstorbenen die Kleider ins Grün nach draußen hängt, auf dass sich die Freunde und Bekannten eines aussuchen, das sie zur Erinnerung mitnehmen.
Die Geschichten handeln – man liest es bereits – von Tod, von Veränderung und Metamorphose.
Ist das gut erträglich?
Ja, das ist es, denn die Erzählungen sind niemals schwer oder überladen. Michela Murgia kommt gänzlich ohne Pathos aus, ohne Selbstmitleid und ähnlich klebrige Emotionen. Ähnlich wie die Kleider flattern die Geschichten im Wind und sind auf ganz unterschiedliche Art durchlässig und leicht.
Was hat das mit mir zu tun?
Mehr oder weniger, je nachdem, wo man im Leben steht. In jedem Fall aber sind die zwölf Erzählungen wie Berührungen. Sie streicheln einen, vielleicht kratzt auch mal eine, wie ein Pulli, der etwas grob ist auf der Haut. Immer aber liegt ihnen etwas Schönes und Wohlmeinendes zugrunde. Eine gute Absicht, ein guter Gedanke. Und je nachdem, wo im Leben ich mich befinde, fühle ich mich angesprochen oder angestoßen. Mit Sicherheit ist für jede Leser*in eine Sequenz dabei, deren Geschichte von Veränderung sie nur allzu gut kennt.
Wer ist die Autorin?
Michela Murgia zählt, so sagt der Bucheinband, zu den erfolgreichsten italienischen Autorinnen der Gegenwart. Leider ist sie im vergangenen Sommer mit nur 51 Jahren, wohl an Krebs, gestorben. „Drei Schalen“ ist ihr letztes Buch und es ist zu vermuten, dass das Thema Tod und Abschied, das die Erzählungen durchzieht, von ihrem eigenen Erleben geprägt sind.
Bekannt wurde die Sardin durch „Accabadora“, ein Roman, der sich auch in Deutschland bereits 150.000 Mal verkaufte.
Dass „Drei Schalen“ so einen schwebenden Eindruck hinterlässt, mit einer so zugewandten Leichtigkeit über die Stolpersteine der Realität streift, wird auch das Verdienst der Übersetzerin Esther Hansen sein, die sich durch die Übertragung von Texten weiterer italienischer Gegenwartsautor*innen einen Namen gemacht hat.
Für mich ist „Drei Schalen“ das erste Buch, das ich von Michela Murgia gelesen habe und es ist so schön und klug und von so leichtem Humor durchdrungen, dass es neugierig macht auf die früheren Werke. Vor allem die Satire „Faschist werden“ verspricht interessante Gedanken zur gegenwärtigen Lage, die ja wirklich manchmal nur noch mit Humor zu ertragen ist. In Italien wie auch in Deutschland.
Michela Murgia: „Drei Schalen“, Übersetzung Esther Hansen, 160 Seiten, Wagenbach Verlag, 20 Euro.
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Buchbesprechung: Silke Burmester