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Palais F*luxx

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Lesen oder Lassen?

Buchbesprechung: „Die Sekretärinnen“

Worum geht es?
Vier junge Frauen, allesamt als Sekretärinnen in Stockholm Anfang des 20. Jahrhunderts tätig, wohnen zusammen und teilen sich dabei Freud und Leid. 1908 ist es auch in Schweden verpönt, dass junge Damen ihr Leben unabhängig gestalten möchten. Von allen Seiten wird Eva, Emmy, Elisabeth und Baby erzählt, sie sollten sich einen Mann suchen und schon wären die Probleme gelöst. Gemeinsam machen sie sich Mut, weiter eigenständig zu leben und unterstützen sich, wenn Männer mal wieder zu zudringlich wurden. 

Was kann es?
Uns in jene Zeit zurückkatapultieren. Uns aufzeigen, wie sehr die Frauen damals, im heute so liberalen und geschlechtergerechten Schweden, für ihr Recht auf Unabhängigkeit kämpfen mussten. Gar leiden, denn der Lohn der vier reicht am Ende jeden Monats nur noch für trocken Brot. Und es kann, trotz der gedrückten Stimmung, dank des erfrischenden Tons, gut unterhalten. Der schmale Band lässt uns vor allem am Lebenslauf von Elisabeth als Ich-Erzählerin teilhaben. Obwohl sie wohlhabende Verwandte hat, zu denen sie hätte ziehen können, lebt sie lieber eigenständig in der quirligen Frauen-WG und ackert sich durch die trostlosen Sekretärinnen-Tage. Dank ihrer drei Mitbewohnerinnen bekommen auch schlechte Tage ihr Gutes, denn die vier feiern die kleinen Freuden des Lebens und geben sich Mühe, nicht zu verzweifeln.

Warum sollte mich das interessieren? 
Weil es ein Zeitdokument ist, geschrieben von einer schwedischen Feministin, Journalistin und Aktivistin. Und es zeigt, dass die Themen von heute schon die Aufreger von damals waren: sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, fehlende Wertschätzung am selbigen, Armut oder auch der Kampf um gerechte Bezahlung. Geschrieben mit einer Leichtigkeit, trotz des Ernstes, dass das Buch nie moralinsauer daherkommt. Ebenso beachtlich ist die Sprache – geschrieben vor über einem Jahrhundert, ist es erstaunlich zeitgemäß. So passt es ganz wunderbar, dass dieser in Schweden zu den Klassikern zählende Roman endlich auf Deutsch übersetzt wurde. 

Wer ist die Autorin?
Elin Wägner, 1882 – 1949, gehört in Schweden zu den bekanntesten Autorinnen ihrer Zeit. Sie war nicht nur als Journalistin und Autorin aktiv, sondern setzte sich unter anderem für das Frauenwahlrecht ein, ist Mitbegründerin von „Save the Children“ und ab 1944 war sie Mitglied der Schwedischen Akademie. Ihr Debütroman „Die Sekretärinnen“ war 1908 ihr Durchbruch und wurde auch verfilmt.

Kostprobe 
„Wo es schöne Frauen gibt, gibt es immer noch schönere Kleider“, antwortete ich, „und dort [auf einer Hochzeit, Anm. der Autorin] gab es beides. Aber fast alle waren so langweilig wie Tapeten. Ich hab mich selbst gefragt, wie es sein kann, dass wir, die wir kaum Zeit haben, uns die Nägel zu schneiden, ganz zu schweigen davon, höhere Interessen zu verfolgen, im Schnitt trotzdem so viel netter und lustiger sind. Denn das sind wir. Ich finde, wir sind richtig angenehm und vernünftig im Umgang. Was man wirklich nicht von allen Frauen behaupten kann.“
„Ja“, meinte Eva gedankenverloren. „Aber sag das mal jemand. Sekretärinnen! Da sehen die Leute immer gleich ein Bild vor ihrem inneren Auge: gestärkte Kragen und Wachstuchärmel, Tintenflecke, Unbeholfenheit und etwas Unweibliches. Wir sind Rosen, die im Verborgenen blühen, aber wenn die Leute wüssten, wie unser Leben uns weise und anspruchslos macht, wie geistesgegenwärtig und geduldig, wären wir alle heiß begehrt.“


Elin Wägner: „Die Sekretärinnen“, übersetzt aus dem Schwedischen von Wibke Kuhn, Ecco Verlag, 160 Seiten, 20 Euro. Hier bestellen

Rezension: Simone Glöckler

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