Buchbesprechung: Die gereizte Frau
Worum geht es?
„Die gereizte Frau“ beschäftigt sich mit den Wechseljahren und damit, warum über diese Zeit, die doch die Hälfte der Bevölkerung unmittelbar persönlich betrifft, so wenig bekannt ist. Die andere Hälfte der Bevölkerung betrifft es im Übrigen auch, denn wir sind ja bekanntlich alle keine Inseln. Und nein, das Buch handelt nicht von dem, was ich naiverweise lange als Wechseljahre im Kopf hatte: Eines Tages zack haste keine Periode mehr und dann biste schlecht gelaunt und hast Hitzewallungen. Vielleicht brauchste Hormone. Oder Wechseljahrsyoga. Sondern das Buch beschäftigt sich mit der Zeit, in der die hormonelle Umstellung im weiblichen Körper ihren Anfang nimmt, bis zum Ende der Blutung und darüber hinaus, quasi mit der „Umkehr der Pubertät“.
Miriam Stein nähert sich der Zeit in zwei großen Blöcken: „WTF“? behandelt im weitesten Sinne die Symptome. Es ist mehr oder weniger eine Bestandsaufnahme dessen, was in dieser Zeit alles so auf uns zukommen könnte: das Dünnwerden der Haare, der tanzende Zyklus, Müdigkeit, Fett, Gereiztheit … Der zweite Teil, „Aufbruch“ betitelt, verspricht genau das: einen Aufbruch zu einem guten Weg mit dem Klimakterium. Eine, wie Miriam Stein schreibt, „Coming-of-Middle-Age-Story“. Immer wieder geht sie in ihrem Buch auch der Frage nach, warum es so ist, dass sie, ich und sehr viele Frauen trotz guter Bildung, gesundem Körperbewusstsein und aufgeklärtem Elternhaus keinen blassen Schimmer haben von dem, was da auf uns zukommt. Sie fragt, wieso ist das so? Und: Wie können wir das ändern? –
Was hat das mit mir zu tun?
Alles hat das mit mir zu tun. Mein Kenntnisstand über die Wechseljahre bewegte sich zwischen: Freundin: „Bei mir ist das schon längst durch“, und Mama: „Ach da hast Du noch ewig hin“. Joa. Daher dachte ich, genauso banal wäre es. Das gehört halt zu unserem Frauenleben dazu und gut ist‘s. Dass es neben der Menopause die Perimenopause gibt und dass die hormonellen Veränderungen viel früher anfangen, als man sie wahrnimmt, hatte ich irgendwo gehört. Aber erst als ich das Buch von Miriam Stein gelesen habe, ist mir ein selbiger, nämlich Stein, vom Herzen gefallen. Ich habe mich quasi perimenopausal erleuchtet gefühlt! Stein beschreibt zu Beginn des Buches auch den Beginn ihrer Reise ins Perimenopausen-Abenteuer und wie lange sie gebraucht hat, zu der Erkenntnis zu gelangen, dass alle Symptome eine einzige, ganz natürliche Ursache haben.
Ich bin zu einem nickenden Lesewackeldackel geworden. Wie erleichtert war ich zu lesen, dass nicht ich allein unwissend war, sondern es offensichtlich in der Tat schlicht eine Art schwarzes Loch für alles rund um die Menopause (oder auch andere „Frauendinge“) gibt. Ein schwarzes Loch, welches jüngere Frauen nun aufbrechen, indem sie offener mit ihrem Zyklus umgehen als meine Generation. Ihn umarmen und sich gestatten, mit ihm zu gehen (oder wieder ins Bett). Meine Generation ist die der Wegdrückerinnen. Wir hauen uns eine Ibu rein und eine Wärmflasche auf den Bauch und dann wird geschafft, als wäre nichts. Zum Glück ist das in absehbarer Zeit bei mir Geschichte. Wann, ist unklar, aber ich bin schon auf dem Pfad dahin. Ich bin froh, das Buch als Begleitung gefunden zu haben.
Was kann es?
Es öffnet den Blick für die Symptome, die die Umstellung mit sich bringt. Und dafür, wie wenig wir uns bislang positiv damit auseinandersetzen. Ich habe mich in fast jedem einzelnen Symptom wiedergefunden. Das Buch gibt aber darüber hinaus zahlreiche Tipps, denn Stein hat weitere Expertinnen in das Buch integriert. Es ist hierbei jedoch kein Ratgeber, es ist ein Lesebuch, ein sehr persönliches. Ich empfinde es als Ehre, so in das Leben der Autorin gelassen zu werden. Es ist ein bisschen, wie wenn die beste Freundin einen beiseite nimmt und aufklärt über die Perimenopause: Im Zweifel bin ich anschließend klüger als nach der Lektüre eines steifen Ratgebers, fühle mich persönlich angesprochen und ernst genommen – vor allem aber fühle ich mich nicht krank gemacht. Und habe zugleich einen Strauß an Empfehlungen, wo ich mir ganz viel praktischen Rat holen kann, wo ich weiter ansetzen kann. Und es hat zudem den schönen Nebeneffekt, dass ich nun viel offener damit umgehe, auch andere Frauen in meinem Alter anders wahrnehme, und so sind schon viele tolle Gespräche mit anderen Frauen entstanden.
Kostprobe:
„Der Alltag von Frauen jenseits der Menopause sieht, wie das Klimakterium selbst, für jede Einzelne anders aus. Deswegen ist es an jeder von uns, ihre eigene Vision für die zweite Lebenshälfte zu entwickeln. Ob und wie man sie verwirklicht, ist dabei vielleicht gar nicht so wichtig. Erst zählt mal nur, dass man sich überhaupt erdreistet, eine Vision zu haben und sie auch zu formulieren.“
Miriam Stein: „Die gereizte Frau. Was unsere Gesellschaft mit meinen Wechseljahren zu tun hat”, Goldmann Taschenbuch 2022, 256 Seiten, 18 Euro.