Buchbesprechung „Daniela – Das Buch“
Worum geht es?
Im Frühjahr 2022 hat die Daniela Bar ihr letztes Bier ausgeschenkt. Eine Bar in Hamburg, 30 Jahre von Frauen betrieben, die Liebhaberinnen, Freundinnen und Fans weit über die Stadtgrenze hinaus hatte. Eine Bar mit Kultstatus. Weil sie Charakter hatte. Eigen war. Anders. Offen. Schräg. Dreckig. Glänzend. Sicher.
„Die Daniela“ war ein sicherer Ort, lange, bevor wir solche Wörter nutzten, um Orte zu beschreiben, in denen Frauen* sich wohl fühlen, weil sie nichts befürchten müssen. Weil klar ist, sie sind hier nicht allein, selbst, wenn sie allein gekommen sind. Dieser schräge und zu jedem Zeitpunkt völlig beknackte Name „Daniela“ war Programm: Es regierte weiblicher Eigensinn. Von Frauke-Ellen Möller und Susanne Geyer 1992 eröffnet, 1995 von Patricia Neumann und Florence Mends-Cole als Betreiberinnen-Duo übernommen – ihre Bar, ihre Regeln. Und die ließen keinen Platz für Arschkrampen. So einfach war das.
Hinterm Tresen: „Danielas“. Ein Name für alle. Zum Schutz der Barfrauen* und vielleicht auf eine Art auch ein Entgegenkommen gerade gegenüber den männlichen Gästen, die sich oft zu früher Stunde am Tresen niederließen, um Stunden später im Dämmerzustand von Hirn und Morgenlicht die Tür zu suchen. Dazu gute Musik und tägliche Öffnung – die Daniela Bar mit ihrem ikonischen Bild einer barbusigen Frau war ein Wohnzimmer in Schlauchform, dazu legendäre Mottopartys, die so camp waren, wie Hamburg camp sein kann.
Das Buch, zweieinhalb Jahre nach der von vielen immer noch als schmerzlich empfundenen Schließung erschienen, bildet diese wilden 30 Jahre „Betreutes Trinken“ ab und legt frei, warum „die Daniela“ so viel mehr war als ein Getränkeausschank. Es legt die Gedanken von Florence und Patty frei, deren 26-jähriges Betreiben der Kneipe davon gekennzeichnet war, dass feministisches Selbstverständnis, feministisches Handeln, Humor und die Lust am Gestalten so viel mehr hervorbringen können als Gin Tonic und Sekt auf Eis.
Was kann das Buch?
Es liegt in der Natur eines solchen, mit rund 300 Fotos bestückten Erinnerungsalbums, dass es genau das tut: Erinnerungen wecken. Das soll es und das ist klasse. Es macht riesigen Spaß, die Fotos zu scannen, sie nach bekannten Gesichtern abzusuchen und sich an den verrückten Kostümen zu erfreuen, zu denen Motti wie „Love Boat“ oder „Kings & Queens“ die Besucher*innen animierten. Es macht Spaß, zu sehen, was auch in Hamburg möglich ist, wenn die richtigen Leute einladen. Bzw. was in Hamburg, der Karneval-freien Stadt, an Cross-Dressing und Drag möglich war, als es noch keine Genderfluidität im Straßenbild gab. Als Männer noch Angst hatten, sie könnten für „schwul“ gehalten werden, wenn sie auch nur am kleinen Finger Nagellack trügen.
Auch macht es Spaß, zu lesen, was aus den „Danielas“ geworden ist, von denen viele über Jahre hinterm Tresen gearbeitet haben. Zu lesen, aus welcher Situation Florence und Patty kamen, als sie die Bar übernahmen und wie schwer Patty sich tat, ihr Engagement rund um die Bar mit ihrem Lebensumfeld der Hafenstraße und seinen hart linken, männlich definierten Regeln und seinem Verständnis von der Welt zu vereinen. Es macht Spaß, zu lesen, wie viele Ehen und Kinder die Bar hervorgebracht hat, wie oft der Keller überschwemmt war. Ein wenig müßig ist die Wehmut, die mitschwingt, wenn Leute wie ich, die in den 90ern eine großartige Zeit in einem Schanzenviertel hatten, das es so nicht mehr gibt, dieser vermeintlich besseren (und auch real besseren) Zeit hinterhertrauern. Dass früher alles toller war, als man selbst noch toller war und man sich nichts Besseres vorstellen konnte, als es jetzt, in diesem Augenblick – noch frei von Ehepartnern und Steuererklärungen – in vollen Zügen mitzunehmen, ist klar. Und doch ist auch das etwas, das das Buch „Daniela“ kann: diese feine, bittersüße Melancholie erzeugen, die entsteht, wenn man auf etwas zurückschaut, das man mag. Das etwas wert ist, weil es für das eigene Leben von Bedeutung ist. Weil es den Menschen ausmacht, der man heute ist.
Die wahre Kraft aber ist eine andere. Nostalgische Gefühle erzeugen kann jedes historische Foto. Nein, das Buch „Daniela“ kann etwas Interessanteres. Es kann fühlbar machen, was es heißt, feministisch frei zu handeln. Natürlich waren weder Susanne und Frauke-Ellen noch Florence und Patty „frei“. Gerade in den 90ern hatte frau es noch mit einem männlichen Selbstverständnis zu tun, das es heute vielerorts nicht mehr gibt. Aber „die Daniela“ war ein weiblicher Freiraum. Das Selbstverständnis, die Selbstermächtigung, die Patty und Florence im Kopf hatten, setzte sich in der Atmosphäre fest. Man konnte in der Daniela nicht Luft holen, ohne – neben dickem Zigarettenrauch – jenes Selbstverständnis einzuatmen, das entsteht, wenn Frauen sagen, wo es langgeht. So war die Daniela offen für jede Art weiblichen Ausdrucks zwischen Glatze und Afro, zwischen Mini und Zimmermannshose und so hat sie mit dem ironischen Selbstverständnis, mit dem sie das Wandgemälde der Barbusigen für Schlüsselanhänger, Adventskalender und Pixie-Bücher genutzt hat, weibliche Selbstermächtigung in die Welt gebracht, die Männer geschluckt haben. Genial: das Daniela-Team beim Fußball-Gastro-Cup 2015 in T-Shirts, auf denen der Bildausschnitt des Gemäldes so gewählt ist, dass es den Anschein macht, die Spieler*innen spielten barbusig.
Was hat das mit mir zu tun?
Tatsächlich fühle ich mich der Daniela Bar sehr verbunden, obschon ich die letzten 15 Jahre nicht regelmäßig dort war. Ich war 27 und wollte Journalistin werden. Die Frauenzeitschriften waren ein Graus, es gab nichts, das weibliches Leben wie wir es lebten, abbildete. Also suchte ich mir Verbündete und gründete „planet pussy“. Ein Pop-feministisches, sehr lustiges Fanzine. Die klassische Copyshop-Nummer. Die Daniela Bar war einer der Orte, an denen wir das Heft vertrieben. Susanne Geyer und Frauke-Ellen Möller hatten die Bar ein Jahr zuvor eröffnet. Es passte wie Arsch auf Eimer. Sie, die mit dem Raum und den Drinks, wir, die mit dem papiergeworden Fuck you! Weibliche Selbstermächtigung at its best.
Noch was?
Ja. Das Buch ist einfach schön. Unglaublich viel Mühe wurde darauf verwendet, das, was den Laden ausmacht, in Buchform zu gießen. Der wunderbar altmodisch anmutende Einband im perfekten Daniela-Blau und ein Layout, das die Rotzigkeit, aber auch den Charme des Unterfangens „Daniela“ perfekt abbildet. Die Jungs von Weissraum Design, die auch die Idee zum Buch hatten, haben die Gestaltung mit dem entscheidenden Plus umgesetzt: dem Verständnis für die Sache. Dem Gefühl, worum es bei der „Daniela“ ging. Um Freiraum, um weibliche Selbstbestimmung, um Seelentrost. Und um kühles Bier.
Rezension: Silke Burmester
Daniela – Das Buch, 240 Seiten, 320 Abbildungen, Junius Verlag, 35 Euro
Bestellen könnt Ihr das Buch bei unserer Buchhandlung des Herzens cohen + dobbernig in Hamburg. Ansonsten kauft es bei Eurer lokalen Buchhandlung.