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Palais F*luxx

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Lesen oder Lassen?

Buchvorstellung: „Bär“

Worum geht es?
Lou, eine Bibliothekarin in Toronto, fristet ihr Dasein zwischen vergilbten Seiten und stillem Katalogisieren. Bis sie in den Norden Kanadas auf eine Flussinsel geschickt wird, um den Nachlass von Oberst Jocelyn Cary zu katalogisieren, da dessen Anwesen samt Interieur ihrem Arbeitgeber vermacht wurde. Dass sie sich im Zuge ihrer Arbeit auch um einen halbzahmen Bären kümmern soll, erfährt sie erst vor Ort. Die anfängliche Angst vor dem Tier sowie der Aufenthalt in der Einsamkeit verwandeln sich rasch in Faszination.

Warum sollte mich das interessieren?
Obgleich die Geschichte der Lou bereits 1976 erschienen ist, hat sie nichts an Besonderheit eingebüßt und ist absolut zeitlos. Es ist die Verwandlung einer Frau in der Natur, an einem besonderen Ort, mit besonderen Umständen. Es ist die Geschichte von Macht, Verlust, Hingabe, Begehren und Verzehren. Von Selbstzweifeln über das Sich-ihrer-selbst-bewusst-Sein bis zum Selbst-bewusst-Werden.

Was ist besonders an dem Roman?
Ich nehme gern Margret Atwoods Zitat vom Buchdeckel auf: „Ein seltsames und wundervolles Buch“, denn sie trifft damit den Nagel auf den Kopf. Es ist die seltsame Verzückung Lous über den tierischen Mitbewohner – es ist wundervoll treffend, präzise und niemals kitschig geschrieben und dank der klaren Worte wird die gelebte Liebe zum Bären nachvollziehbar. Die Frage, die sich stellt, ob die Liebe zu dem Tier bzw. der Bär an sich eine Fantasie, entstanden in der Abgeschiedenheit, ist, bleibt nebensächlich, da Lou so authentisch beschrieben wird. Die weibliche Stimme einer sich selbst erkennenden Person unter besonderen Umständen erscheint manchmal skurril, aber niemals abgedreht oder übertrieben. Es ist die Einfachheit der Beschreibungen des Einlebens, des Zusammen- und Eigenlebens, die den Roman auszeichnen und so besonders machen.

Das Eingeständnis, das Tier besitzen zu wollen – mit Haut, Pelz und Lust –, lässt die zu Beginn unscheinbar wirkende Bibliografin sich zur leidenschaftlichen und fordernden Frau wandeln. Die sich durch das Verzehren nach dem Tier aus ihrer Unbedarftheit häutet, die Verwandlung annimmt und weiterzieht. „Bär“ ist definitiv eines der besten Bücher, die ich je gelesen habe.

Warum ist die Autorin interessant?
Die in Kanada geborene und vielfach ausgezeichnete Autorin (1933 – 1985) arbeitete als Übersetzerin in England und war 1973 Gründungsmitglied des Writer’s Union of Canada. Für „Bär“, 1976 erschienen, erhielt sie den wichtigsten kanadischen Literaturpreis, den „General Gouverneurs Award“.

Kostprobe:
Es war warm, aber die Insel brodelte plötzlich von Kriebelmücken und Moskitos. Sie schlug um sich, trat den Rückzug an und zog sich etwas über.

Während sie aus Loyalität mit dem Bären draußen frühstückte, versuchte sie, sich zu erinnern, wie lange die Zeit der Kriebelmücken dauerte. Sie kam zu dem Schluss, dass sie es noch nie gewusst hatte. Bis Mitte Juli vielleicht. Sie versuchte, die Kriebelmücken als positives Zeichen für die Lebendigkeit des Nordens zu betrachten, als Zeichen dafür, dass die Natur sich niemals geschlagen gibt, dass der Mensch zwar bis an die Zähne bewaffnet ist, dass es aber Dinge gibt, die er einfach nicht beherrschen kann, beispielsweise ein Wesen, nicht größer als eine Fliege, das durch ihre Hosen hindurch einen Fetzen Fleisch aus ihrem Schienbein riss. Blut strömte aus ihrem Bein. Sie ging ins Haus.

Marian Engel: „BÄR“, übersetzt von Gabriele Brößke, btb, 208 Seiten, 20 Euro Hier bestellen

Rezension: Simone Glöckler

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