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Palais F*luxx

Online-Magazin für Rausch, Revolte, Wechseljahre

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Lesen oder Lassen?

Buchvorstellung: „Revolution für das Leben“

Bildmontage: Brigitta Jahn

Worum geht es?
Eva von Redecker beschreibt, wie die kapitalistische Wirtschaftsweise Lebensgrundlagen vernichtet, menschliche Beziehungen zerstört und das gute Leben aller verhindert. Dem stellt sie Bewegungen wie Black Lives Matter, NiUnaMenos und Ende Gelände gegenüber.

Was kann es?
Die Revolution für das Leben geht über Kapitalismuskritik hinaus. Eva von Redecker beschreibt eine andere Art miteinander und mit allem, was uns umgibt, umzugehen. Das regt dazu an, selbst freundlicher hinzusehen, was schon da ist – anstatt an dem zu verzweifeln, was fehlt.

Was hat das mit mir zu tun?
Wie sich das gute Leben aller dem Kapitalismus abtrotzen lässt, beschäftigt mich, seit ich in den Achtzigerjahren Rainer Grießhammers Öko-Knigge las und über Sozialismus diskutierte. In den Neunzigerjahren kam die feministische Kritik dazu. Die Hoffnung, dass sich eine gerechte Lebensweise durchsetzt, kam mir zwischendrin abhanden. Sie regt sich seit Fridays for future und Care Revolution wieder. Mein Anliegen, persönliche Überzeugungen, individuelle Lebensentwürfe und gesellschaftliches Engagement zu verbinden, finde ich in diesem Buch wieder.

Warum sollte mich das interessieren?
Auch andere kommen zu dem Schluss, dass eine andere Wirtschaftsweise nötig ist, um die Klimakrise zu überwinden. Meist folgen Zweifel, ob und wie sich ein solcher Systemwechsel bewerkstelligen lässt. Eva von Redeckers Philosophie der neuen Protestformen schaut hin, wo andere Arten zu handeln schon praktiziert werden. Sie denkt Wirtschaft und Klimagerechtigkeit zusammen mit Care, Antirassismus und indigenen Rechten und legt Grundlagen für eine Ethik der Fürsorge. Auch wenn ich den Optimismus an dieser Stelle nicht teile: Originell ist ihre Idee der Nutzung von Datenströmen nicht zur Profitmaximierung, sondern zur anonymen Sorge für die Bedürfnisse aller. Insgesamt macht ihr liebevoller Blick auf revolutionäre Bewegungen Mut zum eigenen befreienden Denken und Handeln.

Wie ist es geschrieben?
Den Nominalstil und die Begrifflichkeit des kapitalismuskritischen Teils empfinde ich als nicht so schön. Faszinierend finde ich die konkreten Beispiele und poetischen Bilder ‒ für das Kritisierte wie für das Ersehnte. Viele davon übernimmt Eva von Redecker von anderen: von Black Lives Matter das Sprudeln der Lebensenergie, von Leanne Betasamosake Simpson das Vermessen der Verluste auf einer Karte, von der englischen Lyrikerin U. A. Fanthorpe Atlas und seine Aufgabe, die Welt zu stützen als Bild für Sorgearbeit als nüchterne Form der Liebe, von Rilke den Weltinnenraum als Bild für die Verbundenheit mit dem Leben um uns herum, von Ende Gelände Wurzelkanäle als Bild für den Austausch von Informationen und Gütern. Durch diese Bilder findet von Redecker eine Sprache, um die Sehnsucht nach dem Neuen, noch Unbekannten auszudrücken, das in Ansätzen schon gegenwärtig ist. Ein Bild für diese Suche nach einer neuen Art des Erzählens entlehnt sie aus der Nobelpreisrede von Olga Tokarczuk: deren schwangere Mutter, die ihre ungeborene Tochter vermisst.

Kostprobe
„Wie kann man etwas vermissen, das noch gar nicht da ist? Vielleicht weil es sich schon in Umrissen abzeichnet. Vielleicht weil diese Umrisse eine Form erkennen lassen, in der die Gewalt der Vergangenheit überwunden wäre. Vielleicht weil jedes Leben, das an die Grenzen der Sachherrschaft rührt, eine Ahnung größerer Freiheit und Verbundenheit weckt.
            Die zweite Sehnsucht, die die Revolution für das Leben leitet, vermisst also, was sie noch gar nicht kennen kann: eine Welt, in der wir pflegen, statt zu beherrschen, teilen, statt zu verwerten, regenerieren, statt zu erschöpfen, und retten, statt zu zerstören.
            Alles, was wir brauchen, ist da.“

Eva von Redecker: „Revolution für das Leben“, S. Fischer Verlag, 15 Euro
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Rezension: Anne Lehnert

Eva von Redecker im Interview mit Zeit Online – hier klicken.
Die weibliche Revolution – Eva von Redecker und Ulrike Guérot im Gespräch. Hier klicken.
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