Brenne ich fürs Unternehmen oder ist das eine Hitzewallung?
Kurz vorm Bewerbungsgespräch. Ich solle schon mal Platz nehmen, meine Gesprächspartner wären gleich da. Kaum sitze ich, wird mir heiß. Ich knöpf die Jacke auf, fächele mir mit meinen Unterlagen Luft zu, springe schließlich zum Fenster und reiße es auf. Als ich mich mit knallrotem Kopf hinauslehne, geht die Tür auf. Meine Gesprächspartner treten ein. Ich höre ihre Gedanken: „Wir suchen zwar Mitarbeiter, die fürs Unternehmen brennen, aber ‚Hot Flashes‘ sind damit nicht gemeint.“
Hitzewallungen sind DER Klassiker unter den Symptomen der Wechseljahre, ca. 80 Prozent aller Frauen erleben sie. Sie lassen sich leider nicht zwischen zwei Kundengesprächen oder Meetings einplanen, sondern kommen, wann es ihnen passt. Hitzewallungen sind Diven, jede möchte besonders sein und lässt sich einiges einfallen: Manche kommen nur mal kurz vorbei, andere stehen penetrant auf der Türschwelle und klingeln Sturm. Die einen sind Kumpel für den Alltag, andere stehen auf heiße Nächte. Dann gibt es noch diejenigen, die sich nie ohne Schweißausbruch heraustrauen.
Nackte Unterarme auf der Tischplatte
Woher kommen sie? Man erklärt es sich so: Durch das Auf und Ab der Hormone kommt unser Temperaturregler im Gehirn durcheinander und schickt falsche Signale. Dadurch weiten sich Blutgefäße, die Haut wird stärker durchblutet und uns wird warm. Das Schöne an dieser Erklärung: Wenn wir unseren Thermostat davon überzeugen können, dass uns nicht eingeheizt werden muss, wird das System auch wieder heruntergefahren. Kältereize sind der Schlüssel: Luft zufächeln, kaltes Wasser an den Handgelenken – oder mein Favorit in Besprechungen: die nackten Unterarme auf der kalten Tischplatte. Ein paar Minuten müssen wir überstehen, dann ist die Wallung abgeebbt.
Endlose Minuten, wenn man gerade wie ich im Bewerbungsgespräch sitzt. Keine Chance, souverän und kompetent zu wirken. Ich hatte allerdings Glück. Denn statt eines blöden Spruchs oder verlegener Blicke bekam ich den Kommentar: „Ach, das kenne ich.“ Kurz gemeinsam gelacht, dann steckten wir schnell in einer intensiven fachlichen Diskussion.
Muss man selbst Hitzewallungen erlebt haben, um so locker mit einer hitzeleidenden Frau umzugehen? Dann hätten wir schlechte Karten. Denn neben Kaffee oder dem scharfen Curry (und vielen weiteren Lebensmitteln) lädt auch Stress die Hitze zum Wallen ein. Statistisch gesehen besteht in vielen beruflichen Stressmomenten eine große Wahrscheinlichkeit, dass wir es mit Männern (oder auch jüngeren Frauen) zu tun haben. Die nicht viel über die Wechseljahre wissen und rote Köpfe oder verschwitzte Achselhöhlen mit Nervosität verwechseln. Mit mangelnder Kompetenz, fehlendem Durchsetzungsvermögen oder zu geringer Belastbarkeit.
Harte Arbeit: Gelassenheit lernen
Was tun als Betroffene? Mitten in der Besprechung mit einem sehr jungen und sehr männlichen Team erwischte es meine ehemalige Chefin. Sie stand auf und sagte: „Fünf Minuten Pause, ich habe eine Hitzewallung.“ Dann ging sie raus, spritzte sich ihr „Frauenspray“ ins Gesicht und wechselte ihr T-Shirt. Anschließend kam sie zurück und die Diskussion ging weiter. Das hätte sie nicht immer gekonnt, erzählte sie mir. Erst in der Arbeit mit einer Beraterin hätte sie sich diese Gelassenheit erarbeitet. Eine Gelassenheit, die auch hilft, sich kritisch mit den üblichen „Wundermittel“-Versprechungen auseinanderzusetzen. So läuft man weder Gefahr, die gesamte Salbeiernte für die eigene Teemischung aufzukaufen, noch willenlos-beglückt das Rezept für die Hormonersatztherapie aus den Händen eines Heilgottes zu empfangen.
Aufklärung hilft – und erspart Peinlichkeiten
Was tun als Unternehmen? Viel. Und damit meine ich weder künstliche Schutzräume noch Verhätschelungen, sondern konkrete Maßnahmen. Maßnahmen, die übrigens nicht nur Frauen in den Wechseljahren guttun, sondern auch allen anderen Mitarbeiter:innen. In den kommenden Artikeln dieser Rubrik werde ich ein oder zwei Maßnahmen vorstellen. Den Anfang machen zwei (fast) kostenlose Grundlagen: Wissen und Empathie. Wenn schon Frauen in den Wechseljahren wenig über die Veränderungen und Symptome wissen, wie viel weniger wissen dann Männer oder jüngere Frauen? Hier kann das betriebliche Gesundheitsmanagement ansetzen. Seminare wie „Innere Stärke“ oder „Work-Life-Balance“ gibt es bereits in vielen Unternehmen. Wie wäre es also z. B. mit einem Vortrag „Wissenswertes über Wechseljahre“? Wissen hilft, mehr Empathie für Frauen im Klimakterium zu entwickeln. Der Satz „Ich habe gerade eine Hitzewallung“ wäre dann nicht mehr peinlich. Weder für die Frau, die ihn sagt, noch für diejenigen, die ihn hören. Wir würden einfach das Fenster aufmachen und zwei, drei Minuten keine Hochleistung erwarten. Danach geht‘s weiter.
Ein simpler Weg für eine Firma zu erreichen, dass die Mitarbeiter:innen für ihren Arbeitgeber brennen – ob mit Hitzewallung oder ohne.
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