Close

Palais F*luxx

Online-Magazin für Rausch, Revolte, Wechseljahre

Close

Es befinden sich keine Produkte im Warenkorb.

Mission Farm 49 | 4

Wir schreiben das Jahr 2119 und begleiten zwei Terraläuferinnen im besten F*luxx-Alter auf einer Routinemission auf die Erde – die sich jedoch als kniffliger herausstellt als gedacht.
Eine fantastische Erzählung von Jana Paradigi in fünf Folgen.



Erdoberfläche, 18.Mai 2113, Nachmittag


Valdis war unser Held. Nach dem Wechsel des Kernmoduls und ein paar Anpassungen erinnerte sich die AI wieder an das grundlegende Einmaleins. Zwar standen uns weiterhin keine GPS-Daten aus dem Orbit zur Verfügung, dafür war sie dank unseres Gamers allerdings fähig, den Weg mithilfe der Frontkamera und einem Live-Abgleich mit älterem Kartenmaterial aus Valdis‘ privater Fundgrube zumindest annäherungsweise zu berechnen.
Natürlich war es irrwitzig, als wandelnde Tote auf der Erfüllung des Auftrags zu beharren. Aber was sonst gab es zu tun? Einfach da hocken und darauf warten, dass mir das Fleisch von den Knochen fiel, war nicht mein Ding. Die Menschen auf dem Mars warteten auf unsere Lieferung. Zumindest redete ich mir das ein.
In Wahrheit wussten wir nicht einmal, ob die kosmische Katastrophe im Erdorbit Auswirkungen auf die Farm gehabt hatte. In der Theorie waren die Bots drauf programmiert, sich bei einem Ausfall des GPS-Signals selbstständig neu zu strukturieren.
Wie sich nach einem etwas holprigen Flug herausstellte, hatte das allerdings nur ungenügend funktioniert. Ein Teil der Bots war entweder außer Reichweite des Signals gewesen oder hatten schlicht dabei versagt, sich erneut anzukoppeln.
„Hey, hier drüben ist noch einer dieser autonomen Blindgänger!“, rief ich Tikki zu, während wir die Anbauflächen durchstreiften. Meine Freundin war seit unserer Wiedervereinigung ungewöhnlich still gewesen. Aber wen wunderte das angesichts unserer Lage.
Die Aufnahme der Fracht dauerte mehrere Stunden. Zeit, die mir nach dem Crash so viel kostbarer erschien. Und doch wusste ich nichts weiter mit ihr anzufangen. Ich funktionierte. Nicht mehr und nicht weniger. Das machte mich aus. Das war mein Leben, mein Rettungsanker. Und er hätte mich am Ende wohl in die bedeutungslose Tiefe gezogen, wäre ihm eine ordentliche Dosis Strahlung nicht zuvorgekommen.
Valdis hustete bereits Blut und auch ich spürte den inneren Verfall von Stunde zu Stunde stärker. Mir war übel. Mein Mund fühlte sich trocken an und meine Haut begann an einigen Stellen blutunterlaufene Flecken zu bilden. Ich wusste, wie es weiterging. Schwindelgefühl bis hin zum Koma. Blutungen überall am Körper, weil sich das Bindegewebe auflöste. Versagen der inneren Organe, Zusammenbruch des Nervensystems. Mit etwas Glück würden wir eine Walking-Ghost-Phase erleben – ein kurzes Hoch, bevor die körpereigenen Systeme endgültig versagten und der Tod eintrat.
Trotzdem machte ich weiter. Genau wie die anderen beiden. Wir reaktivierten die Bots, die sich durch das Systemchaos verlaufen und runtergefahren hatten. Valdis gab Hilfsparameter in die Systeme der Farmzentrale ein und Tikki kontrollierte die Ladung. An die zweitausend Tonnen mussten in Rekordgeschwindigkeit in den Bauch der Fähre verfrachtet werden. Verderbliche Pflanzenware wurde für die dreimonatige Reise eingefroren. Mineralien und Gestein dagegen in einer Kammer gelagert, die die Temperaturschwankungen gering hielt, um keine Kristallisation oder Frostsprengungsverwitterung zu verursachen.
Die AI würde das alles alleine überwachen, während wir langsam in unseren Kapseln verrotteten. Ich nahm mir vor, Valdis noch einmal dran zu erinnern, der AI die Anweisung zu geben, die Stasiskapseln zu versiegeln und die womöglich toxischen Gase, Bakterien und Keime abzusaugen, die durch unsere Leichen entstehen mochten, bevor die Fähre im Raumhafen landete. Und noch etwas musste ich erledigen, sobald wir den Rückflug antraten: Es lag an mir, den abschließenden Bericht zu verfassen, der alles so sachlich wie möglich erklären würde. Der letzte Gruß einer Toten.

Folge 5 findet ihr unten!

Jana Paradigi gehört zum Palais F*luxx-Kollektiv und schreibt seit einigen Jahren Fantasyliteratur. Wir dürfen mit der Genehmigung des Verlags diese Erzählung aus der Anthologie „Facetten der Zukunft“ (Erscheinungstermin 1. Oktober 2022) veröffentlichen. Vielen Dank dafür!

Bild: ©NovelArc

Close