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Palais F*luxx

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Lesen oder Lassen?

Buchbesprechung „Die ehrenhafte Ernte“ von Robin Wall Kimmerer

Worum geht es?
Die Biologin schreibt in dem kleinen, schön illustrierten Bändchen über unser Verhältnis zur Natur und wie sie sich verbessern ließe. Zum Beispiel ganz einfach dadurch, dass wir sie – die Natur – als belebte Welt wahrnehmen und nicht als eine Welt von Ressourcen, die wir ungefragt (aus)nutzen. „Es ist nicht die Umwelt, die zerstört ist. Es ist unser Verhältnis zu der Umwelt, das zerstört ist“, so ein zentraler Gedanke von Robin Kimmerer.

Was kann es?
Auf eine nahbare Art erzählen. Wir begleiten Robin Wall Kimmerer auf ihren Streifzügen durch den Wald, die sie als Kind unternahm und dabei ihre Faszination für Pflanzen, Insekten, Bäume und Gräser entdeckte. Aus dem persönlichen Erzählen heraus betrachtet die Naturwissenschaftlerin die Beziehung zwischen Mensch und Natur. So schreibt sie zum Beispiel das, wenn man eine Pflanze nicht benennen kann, ihr keinen Namen geben kann, sie für uns abstrakt bleibt, also ein Ding. Plant blindness ist ein Begriff dafür. Robin Kimmerer gehört der indigenen Potawatomi Nation an. Und es ist erkenntnisreich, über ihre Perspektive als Native American und Naturwissenschaftlerin mehr über die Natur und die eigene Beziehung zu erfahren.

Im Übrigen ist die vorliegende Ausgabe, die im Aufbau Verlag erschienen ist, ein Auszug aus dem 2013 erschienenen Buch „Geflochtenes Süßgras“. Die Sonderedition „Die ehrenhafte Ernte“ wird von schönen Illustrationen von Hanna Zeckau begleitet und die Kulturwissenschaftlerin Mithu Sanyal gibt sich in ihrem klugen Vorwort als Fan von Robin Wall Kimmerer zu erkennen.

Was hat es mit mir zu tun?
Ich lebe mit der Überzeugung, dass der Mensch nicht alles ist. Und dass wir – jetzt wird’s meta – seit René Descartes zu sehr auf die Ratio setzen bei der Erklärung von Welt. Sein Credo „Cogito ergo sum“ – ich denke, also bin ich – und seine ausgeklügelte Vorstellung davon, dass im Innern des Menschen mechanistische Systeme ihren Job machen, war der Anfang eines Endes, das wir mühsam aufrollen könnten, sollten, müssten.

Warum sollte mich das interessieren?
Es wird viel und ausgiebig über den Klimawandel diskutiert, über die richtigen Wege und so fort. Ich habe den Eindruck, dass die Argumente, so stark und überzeugend sie wirklich sind, nicht wirklich ankommen. Warum? Weil die Natur wahrscheinlich – entschuldigt meine Generalisierung – für die meisten Menschen zur Dingwelt gehört. Bäume sind zum Bauen da, Blumen zum Dekorieren, Zimmerpflanzen für bessere Luft und Bienen schenken Honig. Die Welt der Natur hier, die Welt der Menschen dort. Und ich glaube, so lange wir das Verhältnis nicht als reziprok betrachten – meint: als Wechselbeziehung, als verbunden –, solange wird das nix mit dem positiven Wandel des Klimas.

Ich habe im März die Marine Social Scientist Easkey Britton interviewt. Die Irin ist nicht nur Botschafterin des Meeres, sondern auch eine erfolgreiche Surferin. Wann immer sie surfen geht, nimmt sie Beziehung zum Ozean auf, indem sie sich zum Beispiel im wahrsten Sinne des Wortes bei dem Gewässer bedankt. Auch das ist reziprok und kann dazu führen, dass wir uns mit der Natur verbunden fühlen. Ich habe Brittons Ritual übernommen und wenn ich in einem See oder in der Nordsee schwimme, bedanke ich mich bei dem Gewässer.

Wer ist die Autorin?
Dr. Robin Wall Kimmerer ist Biologin, Professorin für Umweltwissenschaften und Mitglied der Citizen Potawatomi Nation. Sie leitet das Center for Native People and Environment in Syracuse, das Programme entwickelt, die die Weisheit sowohl indigener als auch wissenschaftlicher Erkenntnisse für das gemeinsame Ziel der Nachhaltigkeit nutzbar machen. Die 71-Jährige lebt auf einer Farm im Hinterland von New York.

Kostprobe 
„Wenn ich mit meinen Studierenden im Wald bin und ihnen die Geschenke der Pflanzen erkläre, und wie man sie beim Namen nennt, versuche ich, bewusst mit meiner Sprache umzugehen, zweisprachig zu sein zwischen der Terminologie der Wissenschaft und der Grammatik der Belebtheit. Obwohl sie noch wissenschaftliche Regeln und lateinische Namen lernen müssen, hoffe ich, dass ich ihnen auch beibringe, die Welt als Nachbarschaft nicht menschlicher Bewohner zu kennen, zu wissen, dass wir, wieder der Theologe und Tiefenökologe Thomas Berry schreibt, „vom Universum sagen müssen, dass es eine Gemeinschaft von Subjekten ist, nicht eine Ansammlung von Objekten.“

Buchbesprechung: Anette Frisch

Robin Wall Kimmerer, Die ehrenhafte Ernte, Aufbau Verlag, Hardcover mit Illustrationen von Hanna Zeckau, übersetzt von Elsbeth Ranke, 136 Seiten, 20 Euro
Bestellen könnt Ihr Die ehrenhafte Ernte bei unserer Buchhandlung des Herzens cohen + dobbernig in Hamburg. Ansonsten kauft es bei Eurer lokalen Buchhandlung.

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