Eine Abarbeitung an der Programmvorschau von HarperCollins 20/21
Als ich diverse Buchverlage anschrieb und darum bat, Palais F*luxx in den Verteiler aufzunehmen, damit wir fleißig Bücher vorstellen können, schrieb ich in meiner Mail, dass ich an Programmen, deren Bücher die Wörter „Flieder“, „Sommer“, „Bretagne“, „Sauerkraut“ oder „Glück“ auf dem Titel führten, nicht interessiert sei. Leider hatte ich in der Wärme des Sommers nicht bedacht, dass für die Buchverlage der Winter quasi schon an die Tür klopft. Was dem Buchmarkt der Sommermonate der Flieder ist, ist dem des Winters der Tee. Und der Schnee. Und die Flocken. Und die Magie.
Ich kann nicht gut wegwerfen. Alles soll noch zu etwas Nutze sein. So ist es mir nun eine große Freude, den vom Postmann eigens in den dritten Stock getragenen Taschenbuch-Katalog des HarperCollins-Verlags der Neuerscheinungen 2020/2021 vorstellen zu können.
Man muss dazu wissen: Die Programmvorschauen sind für den Handel gemacht. Diejenigen, die Bücher verkaufen, sollen mittels der bunten Prospekte – und unter Unterstützung charismatischer Verlagsvertreter – dazu gebracht werden, die jeweiligen Bücher in ihrem Laden auszulegen. In der Regel sind diese Leute Frauen. Frauen lesen mehr, Frauen kaufen mehr, mehr Frauen verkaufen Bücher. Und so ist „die Buchhändlerin“ in der Verlagswelt – freundlich gesagt – eine respektierte Größe. Deutlicher formuliert: Sie ist die, vor der die Verlage zittern. „Es muss der Buchhändlerin gefallen“, ist ein Satz, mit dem man es zu tun bekommt, wenn man selbst ein Buch macht.
Man darf sie nicht verschrecken. Offensive Sexualität ist nicht so ihr Ding, sie steht mehr so auf Gefühle. Eine Zeit lang standen Katzen bei ihr hoch im Kurs, aktuell mag sie Carmen Korn. Auch reist sie in Gedanken gern an Orte, an denen es stark weht. Und natürlich liebt sie Krimis. Warum auch immer.
HarperCollins eröffnet sein Programm mit der Nachricht, dass DIE LETZTE WITWE nun als Taschenbuch erscheint und es eine „gemeinsame Werbekampagne mit DIE VERSTUMMTE FRAU“ geben wird. Alles andere als stumm geht es mit Christo Foerster weiter, er ist „DER Mikroabenteurer Deutschlands“. Seine Reihe heißt „Raus und machen“, wovon es nach DAS PRAXISBUCH nun DAS MOTIVATIONSBUCH gibt. Für dessen Cover hat der smarte Mitvierziger sein übliches Outfit von Jeans und Hoodie gegen einen grauen Anzug eingetauscht hat, mit dem er sich IN einem Bachlauf mit einer Art Entengrütze fotografieren ließ. Wer die Zielgruppe ist, ist klar: Männer die „mal ausbrechen“ wollen.
Und weil nicht immer Sommer sein kann, auch nicht für Männer in Entengrütze, wird weitergedacht und Försters „DAS JAHRESZEITENBUCH“ angekündigt, das in seiner ganzen Schönheit aber erst im nächsten Katalog vorgestellt wird.
Den Herbst allerdings überspringen die Verlagsleute und werfen uns mitten hinein in den Winter mit dem Buch: EIN VERSCHNEITES WEIHNACHTSFEST IN CORNWALL. Es folgt auf WINTER IM KLEINEN BRAUTLADEN AM STRAND, dem die Autorin bereits durch WEIHNACHTEN IM KLEINEN BRAUTLADEN AM STRAND die Krone aufzusetzen verstand. Ihr „neuer herzerwärmender Titel“ spielt „auf einem Schloss im wunderschönen Cornwall“. Zum Glück. Denn Konkurrenz naht: Sarah Morgans „ergreifendster Weihnachtsroman“ ist nicht weit. Sarah Morgan hat DIE ZEIT DER WEIHNACHTSSCHWESTERN verfasst, nachdem sie zuvor EINE WEIHNACHTSHOCHZEIT IM SCHNEE ausrief, was auch dringend nötig schien, da ihr Roman VERLIEBT FÜR EINE WEIHNACHTSNACHT darauf hindeutet, dass es mit der Moral nicht so hoch her ging und eine Hochzeit dringend angezeigt ist.
Die einen machen Kinder, die anderen schaffen sich einen Hund an. Die Autorin Petra Schier weiß die Sehnsucht nach Putzigkeit in knuffige Worte zu fassen. Nach STILLE NACHT, FLAUSCHIGE NACHT und VIER PFOTEN FÜR EIN WEIHNACHTSWUNDER kommt nun ein KÖRBCHEN UNTERM MISTELZWEIG zum Vorschein, in dem „ein kleiner Streuner auf der Suche nach einem Zuhause“ ist. Die Autorin, die mit Mann und Deutschem Schäferhund in der Eifel lebt, wie es im Programmheft heißt, kann nicht nur „zauberhafte Weihnachtsromane“ verfassen, sondern auch historische. Wir ahnen Schlimmes.
Erinnerungen an Schnee werden zu Eiskristallen unserer Geschichte
Als historisch werden bald unsere Erinnerungen an Schnee gelten. Hat der Klimawandel erst einmal zugeschlagen, werden Romane wie SCHNEEFLOCKENMAGIE wie die Abenteuer von Peter Pan anmuten. Auch EISBLUMENWINTER, der an „traumhaften Schauplätzen wie Juist und Rügen“ Einzug hält, wird wie eine Erzählung aus der Antike klingen. Nur gut, dass in diese Tristesse die Sachbücher WAS LIEBE AUSHÄLT und WAS LIEBE BRAUCHT hereinbrechen, die ein Plädoyer dafür sind, unsere Vorstellung von Treue zu überdenken.
Dieses Luftholen hält aber nur kurz an, denn eine Seite weiter wartet WINTERMEER UND DÜNENZAUBER auf uns, nachdem Tanja Janz bereits mit DÜNENWINTER UND LICHTERGLANZ sowie FRIESENHERZEN UND WINTERZAUBER, ihren Leserinnen eingeheizt hatte. Was andernorts das „Bullshitbingo“, scheinen im Winterwonderland der Verlagswelt die Wörter „Zauber“, „Glanz“, „Düne“ und „Meer“ zu sein. Einfach mischen, irgendwas Passendes kommt schon raus.
Unterbrochen wird dieser Hirnflausch überraschend durch Daniel Silvas DER RUSSISCHE SPION. Er folgt dem DER ENGLISCHE SPION, auf den DIE ATTENTÄTERIN kam, DER DRAHTZIEHER und DAS VERMÄCHTNIS. Das macht so meschugge, dass nun ein wenig Struktur her muss, die Maria Wiesner liefert. Sie hat ein Buch geschrieben, das sie ALLES IN ORDNUNG? nennt und sicherlich Abertausenden von Menschen die Last der unerledigten Sortierungen von den Schultern nimmt. Denn es geht um nichts Geringeres als darum, „Warum wir vor lauter Aufräumen unser Leben verpassen“. Die HarperCollins Programm-Leute hält in Anbetracht dieses Befreiungsschlags gar nichts mehr auf den Stühlen. Sie schreiben in großen Lettern „Fuck Kondo!“ auf die Seite und reißen damit stellvertretend für Leute wie mich das Fräulein Rottenmeier der Zwangsoptimierung in Stücke. Danke, HarperCollins!
Im kleinen Strickladen ist der Tee ausgelaufen
Aus Schweden wird nun TOD EINES EISFISCHERS geliefert, aber schon nach erneutem Umblättern sind wir in „Cedar Cove – einer kleinen Stadt mit großem Herzen!“. In Cedar Cove gab es bereits LEUCHTTURMNÄCHTE und ROSENTRÄUME zu erkunden, jetzt ist Zeit für WINTERGLÜHEN. Und FRÜHLINGSMAGIE. Was sich als Unentschlossenheit des Verlags ausmachen ließe, erklärt sich, wenn man liest, die Autorin habe bereits über 100 Romane veröffentlicht. Da muss man auch mal zwei zeitgleich auf den Markt schmeißen.
So ähnlich muss es sich beim Umgang mit den Werken von Susanne Oswald verhalten. Sie war mit DER KLEINE STRICKLADEN IN DEN HIGHLANDS erfolgreich und serviert nun WINTERTEE IM KLEINEN STRICKLADEN IN DEN HIGHLANDS. Weil das aber vielleicht etwas dünn ist, entschied man sich, ihrem Neuling nicht nur das schlimmste und schlecht gemachteste aller Cover zu spendieren, sondern dem Buch auch noch Strickanleitungen beizulegen. Und als wenn dies nicht genügen sollte, sind diese auch noch „kreativ“.
Ich überspringe jetzt Langweiler wie WO SICH DIE STERNE SPIEGELN, DAS PAULUS LABYRINTH, DER LÄUFER und DAS GEHEIMNIS DER BIENENVILLA und komme zu WO WIR KINDER WAREN. Was sich einfach beantworten lässt: Je nachdem. Reinbek, Dresden, Bad Oldesloe, Kiel, Tunis, Halle. Dem Erfolgsbuch von Kati Naumann folgt nun WAS UNS ERINNERN LÄSST und eine Antwort könnte das Verlagsprogramm selbst bereithalten: DIE BUCHHANDLUNG ZUM GLÜCK. Oder DER BLUMENLADEN DER GUTEN WÜNSCHE.
Wir sind jetzt auf den letzten Seiten des Programms und werden sanft daran erinnert, dass Petra Schier nicht nur „zauberhafte Weihnachtsromane“ schreibt, sondern auch welche mit Hunden. Im April 2021 wird ihr bestimmt sehr zauberhafter Sommerroman VIER PFOTEN IM SOMMERWIND erscheinen. VIER PFOTEN AM STRAND hatte sie schon herbeigehext, ebenso STRANDKÖRBCHEN UND WELLENFUNKEN und DIE LIEBE GIBT PFÖTCHEN. Gut, dass man sich bei so viel Hunde-Schlabber mit ELSAS ERBE ablenken kann, „historische Schicksale, beeindruckende Heldinnen und ganz viel Gefühl“. Zuvor hatte dieselbe Autorin bereits ganz viel Gefühl in DER DUFT DES SOMMERREGENS, DER DUFT VON ROSMARIN UND SCHOKOLADE, DIE SPUR DES MEDAILLONS UND DIE KIRSCHEN DER MADAME RICHARD, eingearbeitet.
Entdecken, dass das Leben mehr Mut braucht – und dann ein Backbuch bekommen
Da lob ich mir den BERNSTEINSOMMER, den Anne Barns sich gebacken hat, eine ehemalige Lehrerin, die sich zum Schreiben „am liebsten auf eine Insel“ zurückzieht. „Wenn möglich in der Nähe einer guten Bäckerei“. Ihr Erfolg zeigt einmal mehr, wie entscheidend der Ort ist, den Schriftsteller*innen suchen, um ihre Kreativität hervorzulocken und auszuleben. Und wie viel so eine kleine Insel in einem talentierten Menschen hervorbringen kann. So konnte Anne Barns bereits mit KIRSCHKUCHEN AM MEER, APFELKUCHEN AM MEER, DREI SCHWESTERN AM MEER UND HONIGDUFT UND MEERESBRISE große Erfolge feiern. In BERNSTEINSOMMER geht es um eine Frau, die entdeckt, „dass ihr Leben mehr Mut braucht“. Um zu verhindern, dass die Leserin auch auf solche kruden Gedanken kommt, werden „herrliche Sommerrezepte aus Omas Backbuch“ mitgeliefert. Der Herd ist und bleibt die sichere Stütze des Patriarchats. Neben dem Frauenroman, natürlich.
Silke Burmester