Die Menopause hält Überraschendes bereit und der Körper veranstaltet eigenartige Dinge.
Gut, wenn unsere Wechseljahrsexpertin Britta Scholten mal einen Blick drauf wirft.
Früher konnte ich von Sex nicht genug bekommen. Heute gehe ich lieber mit einem Krimi ins Bett. Wenn mein Mann nur den Arm um mich legt, erstarre ich statt dahinzuschmelzen. Selbst das regelmäßige Rendezvous mit meinem Vibrator habe ich eingestellt. Vernaschen tue ich nur noch Schokoriegel. Die bereiten mir noch Lust. Die aus dunkler Schokolade mit Salz. Oder Espresso-Crunch.
Bin ich krank oder sind das die Wechseljahre?
Wenn Sex und Lust zu Fremdwörtern werden, kann das viele Ursachen haben. In den Wechseljahren finden sich unter anderem Schlafprobleme, Hitzewallungen und trockene Schleimhäute in den Top Ten. Hat man sich wieder eine Nacht lang in den Kissen gewälzt, ohne zum Höhepunkt, dem Einschlafen, zu kommen, träumt man am nächsten Tage eher von einer Viertelstunde Schlaf als von leidenschaftlichen Nächten. Hat man das Gefühl, dass man mit der zehnten Hitzewallung am Tag gerade die Pariser Klimaziele unerreichbar macht, wird selbst die Wärme einer streichelnden Hand nicht mehr als angenehm empfunden. Geschweige denn die Hitze eines Körpers, der gerade aus anderen Gründen in Wallung gekommen ist. Zudem gehen Hitzewallungen häufig mit Schweißausbrüchen einher, was gerade für Frauen, denen ein gutes Erscheinungsbild wichtig ist, ein Problem sein kann. Ihnen fehlt häufig die Vorstellungskraft, dass sie auch mit Schweißbächen am Körper und hitzewallungsrotem Kopf sexuell attraktiv wirken könnten. Auch Extrakilos, die sich in den Wechseljahren gerne anfinden, werden für viele Frauen zu einem Lustkiller, weil sie sich selbst nicht mehr attraktiv finden. Das größte Problem ist aber das Brennen und Ziepen, wenn sich Vulva und Vagina eher nach Schleifpapier oder Kaffeefilter anfühlen und auch die XXXL-Portion Gleitgel nicht mehr zu schmerzlosem Sex verhilft.
Stress killt Sex
Nicht immer sind es die Symptome der Wechseljahre, die dazu führen, dass Sex nur noch eine vage Erinnerung geworden ist. Andauernder Stress ist für viele Körperfunktionen schädlich. Aber gerade die Libido leidet sehr schnell unter dem Hormoncocktail, der sich dann ansammelt. Bluthochdruck, Herzschwäche oder Schilddrüsenunterfunktion können ebenfalls dazu führen, dass der Krimi und die Schokolade mit mehr Lust genossen werden als die leidenschaftliche Runde im Bett. Und dann gibt es noch die Sachen, die uns eigentlich gesund machen sollen: zum Beispiel blutdrucksenkende Mittel oder Medikamente gegen Depressionen, die aber Lustverlust als eine der häufigeren Nebenwirkungen auflisten.
Sind die Wechseljahre also das Aus für den Sex?
Das ist das klassische Vorurteil früherer Zeiten: Wenn die Frau nicht mehr reproduktiv tätig sein kann, hat sie auch kein Interesse mehr an der dazugehörenden Tätigkeit. Das kann tatsächlich vorkommen. Es gibt Frauen, die nach den Wechseljahren einen Schlussstrich unter das Thema Sex ziehen. Aber nicht immer freiwillig und auch nicht immer auf Dauer. Viele Frauen dagegen berichten davon, dass sie gerade in den Wechseljahren eine ganz neue Seite an ihrem Sexleben entdeckt haben. Manche erleben das erste Mal unbelasteten Sex, weil sie sich nicht mehr um das Thema Verhütung kümmern müssen, andere bekommen einen hormonellen Schubs in Richtung Leidenschaft und entdecken neue Gelüste und manchmal auch neue Partner. Auch das Herunterfahren des Östrogens, des Fürsorglichkeitshormons, kann zu neuer Freiheit beim Sex führen. Statt sich darauf zu konzentrieren, wie man die wundervolle Schönheit darstellen kann, die der Partner oder die Partnerin angeblich verdient hat, geht es jetzt darum, was uns Spaß macht. Und fliegen uns die schlaffer gewordenen Brüste bei rhythmischen Bewegungen um die Ohren, geht es eben nicht mehr darum, wie das wohl aussieht, sondern wie geil sich das anfühlt. Abgesehen davon ist spätestens jetzt der Zeitpunkt gekommen, um eines endlich zu begreifen: Der uns liebende Mensch hat ein viel schöneres Bild von uns als wir von uns selbst.
Geschmeidigkeit ist Trumpf
Die Geschmeidigkeit im Denken hilft bei Unlust: Wenn mich die Hitzewallung erwischt, machen wir eben kurz Pause. Statt auf engen Körperkontakt zu setzen, kann man sich ja auch ein paar Minuten mit entlegeneren Körperteilen beschäftigen. Schließlich zählen auch Füße und Knöchel zu den erogenen Zonen. Wenn ich nicht schlafen kann, könnte mich eine spontane Kuschelsexrunde vielleicht so weit entspannen, dass mir die Augen dann doch zufallen. Klappt natürlich nicht immer, aber es ist einen Versuch wert.
Bei Schmerzen aufgrund trockener Schleimhäute sollte man allerdings frühzeitig handeln und nicht warten, dass es irgendwann schon besser wird. Wird es nämlich nicht. Aber man kann befeuchten und pflegen. Je nach Vorliebe geht das mit einer das Hormon Östriol enthaltenden Creme, aber auch mit kalt gepressten, naturreinen Ölen (zum Beispiel Granatapfelkern-, Mandelkern- oder Arganöl) oder hormonfreien Cremes (zum Beispiel mit Hyaluron). Für die intensivere Pflege können auch Vaginalzäpfchen genutzt werden.
Aphrodite lässt grüßen
Und dann gibt es ja noch die Mittel der Aphrodite, die Aphrodisiaka. Die Göttin Aphrodite (die alten Römer kannten sie als Venus) wurde in einer vulvaähnlichen Muschel geboren. Kein Wunder, dass sie Namensgeberin für eine Vielzahl von Mitteln wurde, die die Lust steigern sollen. Natürlich streichen wir Nashornpulver oder Tigerkrallen vom Einkaufszettel, aber viele ätherische Öle wie zum Beispiel Rose, Moschus, Sandelholz, Jasmin oder Tonka sollen uns gut in Stimmung bringen. Vielleicht eine Erklärung dafür, dass es die Tonka-Bohne vor ein paar Jahren in viele Profi-Küchen geschafft hat. Neben dem Dessert mit Tonka-Bohne kann aber auch eine Partnermassage mit entsprechenden Ölmischungen sehr anregend, aber auch entspannend sein. Dann kann man immer noch entscheiden: einschlafen oder mit dem Partner schlafen.
Aphrodisiaka
Unlust
Granatapfelkernöl
Bill Ramsey: „Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett“
Britta Scholten ist ausgebildete Wechseljahrsberaterin, aber keine Medizinerin. Bei Unsicherheiten, starken oder langanhaltenden Beschwerden unbedingt eine Ärztin oder einen Arzt aufsuchen.
Illustration: Brigitta Jahn