Wortspiele
Ich muss so um die Ende 40 gewesen sein, als mir auffiel, dass mein Namensgedächtnis extrem nachließ. Zuvor hatte ich mir ohne Probleme Namen und zugehörige Geschichten und Eigenheiten zu den jeweiligen Personen merken können. Was gerade beim Smalltalk immer eine Stärke von mir war. Das war irgendwann vorbei, ich wusste zwar immer noch die persönlichen Storys, doch die Namen blieben oft im Dunkeln. Bei meiner Mama ist das noch extremer. Ihr fehlen nicht nur häufig Namen, sondern auch viele andere Worte. Wer unsere Telefonate mithört, denkt wohl mitunter, dass wir Scrabble am Telefon spielen.
Letztes Wochenende sprachen wir wieder miteinander. Sie hat sich blöderweise den rechten Ellbogen angeknackst. „Jetzt haben sie so ein Ding – Mensch, wie heißt das denn – da dran gemacht.“ Sie ringt mit dem Gedächtnis. Ich biete an „Manchette?“ „Nein.“ „Schiene?“ „Ja, genau.“ Uff. Jedes Telefonat wird von vielen solcher Wortsuchmomente geprägt, in denen wir um die fehlenden Begriffe ringen. Meine Mutter macht es wütend, dass ihr so viele Worte nicht dann einfallen, wenn sie sie braucht.
Kürzlich erzählte sie mir mal wieder von dem Enkel ihrer Zimmernachbarin. „Der hat studiert. Ach, wie heißt das denn noch? Sowas mit Finanzen.“ Ich biete „Betriebswirtschaft“ an, sie verneint barsch. „Vielleicht Volkswirtschaft?“ „Nein, auch nicht. Ach herrje, wie heißt das bloß“, ringt sie mit ihrer eigenen Verzweiflung. Ein paar Wort-Balztänze später haben wir es. Er studiert für Diplom-Finanzwirt.
Mitunter bestehen unsere Gespräche nur aus Lücken. Telefonate wie ein lebendig gewordenes Kreuzworträtsel. Natürlich sprechen wir in diesen Tagen auch über den Totalausfall unserer Koalition. Der entscheidende Begriff, der seit Tagen durch alle Medien wandert, fällt ihr dennoch nicht ein. Ihr fehlt „Vertrauensfrage“. Als wir weiterreden, fällt mir plötzlich der Name unseres Bundeskanzlers nicht mehr ein. Das gibt’s doch nicht, schimpfe ich innerlich mit mir. Meine Mutter hilft aus. „Mann, der heißt Olaf Scholz. Kannst du dir gar nichts merken?“ Ich bin für einen Moment verblüfft und sprachlos. Dann kichern wir beide ins Telefon und haben einen dieser Momente besonderer Verbundenheit. Manchmal hilft es, wenn einem einfach die Worte fehlen.
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Ingeborg Trampe
Die Fachfrau für PR ist durch ihre Arbeit rund um Hamburgs Kunst, Kultur und Genüsslichkeiten immer eine gute Adresse auf die Frage, where to go. Alle 14 Tage beschreibt sie für uns „what to avoid“, was es zu meiden gilt. Ihre Mutter.