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Palais F*luxx

Online-Magazin für Rausch, Revolte, Wechseljahre

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Macht doch, was ihr wollt!

Jeden zweiten Mittwoch stellen wir Euch eine Frau vor, die ihr Leben umgekrempelt hat
oder mittendrin ist in der Veränderung

Heute: Susanne Katzenberg

Kleiner Tipp: Das wohl bekannteste „Tini“-Dessin, das mit Berlin-Motiven, findet ihr auch in unserem Kaufhaus
Foto: Susanne Lison


Eine neue Liebe sei wie ein neues Leben heißt es pathetisch im Schlager. In Susannes Fall ist diese neue Liebe ein Vasenmodell einer abgewickelten Porzellanmanufaktur der DDR. Die Idee, „Tini“ wieder auf den Markt zu bringen, zieht das Leben der Fotoredakteurin gerade auf links.

Name: Susanne Katzenberg
Alter: 55 Jahre
Beruf: Fotografin/Fotoredakteurin/Gründerin
Wohnt in: Hamburg
Motto: Bring Freundlichkeit in die Welt

Was beschäftigt Dich zurzeit am meisten?
Wie frau mental gesund durch diese Zeiten kommt und wie die Kluft zwischen Ost und West und Oben und Unten zu überwinden wäre.

Auf was kannst Du locker verzichten?
Milliardäre.

Was treibt Dich an?
Dinge verstehen zu wollen. Ich habe meine Lehrer*innen immer mit meinen „Warum ist das so?“-Fragen genervt. In meinen Fotoprojekten geht es meist um verlassene Orte. Die Fragen: Was ist hier passiert und warum, treiben mich an. Ich liebe historische Fotoarchive und Flohmärkte. Ich nähere mich aktuell in meinem Laden anhand von Alltags-Design aus der DDR der Geschichte auf eine recht besondere Art, die mich sehr erfüllt. Erstaunlich, wie gut die Dinge erhalten sind, auch nach 60 Jahren. Es wurde dort ganz anders produziert als im Westen. Wir können die Skills aus dieser Zeit aktuell bestens gebrauchen: nachhaltig produzieren (z. B. unkaputtbare SUPERFEST-Gläser) und die Fähigkeit zu improvisieren. Selbstermächtigung durchs Selbstmachen treibt mich auch an. Hier profitiere ich von meiner Handwerksausbildung als Schlosserin.

Klingt interessant und abwechslungsreich.
Ich habe Schlosserin gelernt, war dann Trainerin für Selbstverteidigung für Frauen und Mädchen, habe viele Jahre als Fotografin und Fotoredakteurin gearbeitet und bin jetzt Unternehmerin.

Wie kommt es, dass aus der Fotoredakteurin eine Unternehmerin wurde?
Ich habe mit UNVERLOREN 2020 ein kleines Unternehmen gegründet – aus dem Herzens-Fotoprojekt, in der ehemaligen DDR zu fotografieren, wurde eine echte Unternehmung. Ich habe die Vasenform TINI aus der Insolvenzmasse der abgewickelten Manufaktur Weimar Porzellan übernommen und lasse diese reproduzieren. Im Oktober 2020 erschien mein Buch UNVERLOREN. Seit diesem Herbst habe ich einen eigenen Projekt-Raum in Hamburg-Altona mit Fotoausstellung, TINI-Vasen und vintage DDR-Design. Ich plane Veranstaltungen zur Ost-West-Verständigung, Zeitzeug*innengespräche, Filmabende etc.

Das klingt erstmal recht easy. War es das?
Ich habe meinen Beruf mehrmals gewechselt, also immer wieder von vorn angefangen. Die Herausforderung ist ja, als Anfängerin neu zu starten, ohne zu wissen, wo die Reise hingeht. Finanziell war der Anfang jedes Mal schwierig, ohne Kapital im Rücken sind Neuanfänge immer hart.

Dein größter Erfolg?
UNVERLOREN ist sehr gut gestartet, das Buch und auch die Vasen laufen sehr gut. Mein größter Erfolg war der Artikel im ART-Magazin zu meinem Projekt, bei Erscheinen ist mein Web-Shop zusammengebrochen, so viele Menschen haben Vasen und mein Buch gekauft.

Dein schmerzhaftester Misserfolg?
Zu erkennen, dass es im Osten Deutschlands sehr viel weniger Interesse an meinem Projekt mit der Mission zur Ost-West-Verständigung gibt, als ich mir erhofft hatte. Ich habe mehrere Konzepte für Ausstellungen in Erfurt und Leipzig eingereicht und warte seit knapp 1,5 Jahren auf eine Reaktion, trotz der Aussage, dass man Interesse hätte.

Gibt es eine Krise, von der Du uns erzählen magst, die Dich weitergebracht hat?
Meine Mutter hatte Demenz und ist mitten im ersten Lockdown 2020 gestorben.
Das war extrem hart, denn wir waren ja alle isoliert und ich musste mich selbst trösten und alle hatten Angst und Sorgen. Da kam ein Zeitpunkt, wo ich dachte: Jetzt ist das passiert, wovor Du am meisten Angst hattest, es kann nicht trauriger werden. Danach war ich sehr mutig und habe mich getraut, alles auf UNVERLOREN zu setzen.

Wie empfindest Du Deine derzeitige Lebensphase?
Anstrengend aber authentisch. Lebendig und kreativ. Befähigt, der Welt etwas Schönes zu geben.

Was ist Dein Rat an Frauen, die sich in der Mitte des Lebens neu aufstellen wollen oder müssen?
Sich klarzumachen, dass es die Lebensphase ist, wo wir genug Kraft haben, um etwas Neues zu starten mit genügend Erfahrung und Wissen um sich selbst. Nicht zu viel Angst zu haben vor falschen Entscheidungen, schlimmer ist meistens, nichts zu entscheiden. Und: Sich Zahlen und Finanzierungsfragen zu stellen. Macht keinen Spaß, ist aber Grundlage. Außerdem: Sich Hilfe und Unterstützung zu suchen, es gibt in Deutschland eine Vielzahl von Beratungsmöglichkeiten, wir sollten sie nutzen. Alles allein machen zu wollen ist aufreibend. Ganz wichtig ist es, fokussiert zu bleiben, sich nicht zu schnell abbringen zu lassen von Idee und Ziel. Da hilft es, sich mit Menschen zu umgeben, die das gut finden, was Du machst. Und sich Menschen zu suchen, die Ähnliches schon realisiert haben.

Was hast Du zuletzt zum allerersten Mal gemacht?
Ich repariere und restauriere DDR-Möbel und -Lampen. Ich habe Rattan-Sessel und Hocker selbst aufgearbeitet, Rattan geflochten und das zum ersten Mal. Macht sehr viel Freude!

Ohne was gehst Du nie aus dem Haus?
Tabak.

Vielen Dank!

Das Interview führte Gerlind Hector, die sich dank Susanne nun intensiver mit DDR-Design beschäftigen wird. Als Kind wurde sie dummerweise mehrfach gezwungen, Familienurlaube in Neubrandenburg zu verbringen, während die coolen Kids nach Frankreich oder Dänemark fuhren. Das fand sie peinlich, doof und ultraöde. Daran konnte auch Nudossi nichts ändern … Dieses Trauma wird nun aufgearbeitet!

Hier geht es zum Projekt Unverloren


Wenn Du auch Lust hast, uns von Deiner Neuaufstellung zu erzählen und ein tolles Foto von Dir hast, schreib eine MAIL

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