Jeden Mittwoch stellen wir Euch eine Frau vor, die ihr Leben umgekrempelt oder sonst etwas tut, auf das sie gerade Lust hat
Heute: Beate Faulborn, Klimaschutzmanagerin
Nicht lang schnacken, sondern Klimaschutzmanagerin werden. Sie hat’s getan: Beate Faulborn Foto: Martina Buchholz Foto Design
Von der Theorie in die Praxis kommen – Beate Faulborn aus Oldenburg hat jahrelang im Bildungssektor gearbeitet, sich mit Ü-47 nochmal neu erfunden und dafür Biologie, Chemie und Physik gepaukt. Heute ist sie Klimaschutzmanagerin und sieht zu, dass Bürger:innen und Kommune in Sachen Umwelt, Natur und Nachhaltigkeit in die Puschen kommen.
Name: Beate Faulborn
Alter: 48
Beruf: Klimaschutzmanagerin
Wohnt in: Oldenburg
Motto: Der wahre Mut besteht darin, gerade dann Mut zu zeigen, wenn man nicht mutig ist (Jules Renard).
Was beschäftigt Dich zurzeit am meisten?
Meine neue Stelle als Klimaschutzmanagerin, die ich im April dieses Jahres begonnen habe. Neue Aufgaben in einem Beruf, den es noch gar nicht so lange gibt. Ein neues Arbeitsumfeld im ländlichen Raum, ein neues Team, das ist alles sehr spannend und macht mir viel Spaß.
Aber auch jenseits meiner beruflichen Situation beschäftigt und belastet mich der Klimawandel sehr. Er ist schon lange überall sicht- und spürbar. Viele sprechen mit mir darüber und sagen, dass es ihnen nicht gut damit ginge, wie sich alles verändere. Oftmals wird davon gesprochen, dass wir jetzt schnell alles tun müssen, um den ökologischen Kollaps zu verhindern. Ich denke aber, dass wir schon mittendrin sind.
Auf was kannst Du locker verzichten?
Da gibt es eine ganze Menge. Zum Beispiel auf die ständigen Lärmemissionen, Talkaholics oder frühes Aufstehen.
Was treibt Dich an?
Unbedingter Wille, Gerechtigkeitsdenken und Neugierde.
Ohne was gehst Du nie aus dem Haus?
Ich prüfe gefühlte zehn Mal vorher, ob ich den Haustürschlüssel eingesteckt habe. Mir graut davor, einen Schlüsseldienst rufen zu müssen.
Welchen Beruf wolltest Du als Kind ergreifen?
Das wechselte immer mal. Ganz lange wollte ich unbedingt Tierärztin werden, aber auch Astronautin oder Zoodirektorin.
Dein tatsächlicher beruflicher Werdegang?
Nach dem Abitur habe ich zwei Jahre lang Kunstgeschichte und Politik in Kassel studiert. Anschließend Wirtschaftswissenschaften mit den Schwerpunkten Ökologie und Organisation in Oldenburg. Danach war ich 14 Jahre lang als wissenschaftliche Mitarbeiterin in einem Bildungsinstitut tätig. Von September 2022 bis Dezember 2023 habe ich das Weiterbildungsstudium „Projektentwicklung: Umwelt, Energie, Nachhaltigkeit“ an der Universität Bremen in Präsenz und ein Praktikum in einem Abwasserunternehmen absolviert. Es war ein komisches Gefühl, mit meinen damals 47 Jahren ein Praktikum zu machen. Aber im Nachhinein war es eine wertvolle Erfahrung, die mir bei meinen Bewerbungen und der jetzigen Arbeit geholfen hat.
Was beinhaltete das Weiterbildungsstudium?
Es war sehr kompakt und vielfältig. Gestartet hat es mit naturwissenschaftlichen Modulen wie Physik, Biologie, Chemie. Außerdem kamen Umweltrecht, Umwelttechnik, Erneuerbare Energien, Angewandte Umweltwissenschaften, Nachhaltigkeit und Projektmanagement dazu. In jedem Fach musste ich eine Prüfung ablegen, um „Credit Points“ zu sammeln. Dabei fielen mir, leider ein bisschen klischeemäßig, die technischen Fächer schwerer. Aber ich habe mich sehr engagiert, viel gelernt und mich da wirklich gut durchgeschlagen.
Musstest Du Dich schon mal neu erfinden? Wenn ja, womit?
Das musste ich schon öfter und war in ganz unterschiedlichen Bereichen. Vor allem natürlich in den beruflichen. Beim Studiums- und Städtewechsel, beim Verlust des Arbeitsplatzes, in und mit Beziehungen. Es war emotional immer herausfordernd und mit vielen Unsicherheiten verbunden. Aber am Ende war es wichtiger als im alten Zustand zu verharren.
Hast Du auch einen Job-Neuanfang erlebt?
Mein derzeitiger Job-Neuanfang ist quasi noch in vollem Gange. Nach dem Abschluss meines Wirtschaftsstudiums wollte ich unbedingt im Nachhaltigkeitsbereich arbeiten, aber es gab kaum Stellen. Ich habe nichts gefunden und bin deshalb in den Bildungsbereich gegangen. So gesehen war es auch damals ein Job-Neuanfang, weil ich eigentlich etwas ganz anderes machen wollte und es nur ein Notnagel war. In all den Jahren war ich immer mal wieder unzufrieden damit. Zwar habe ich mich weiter beworben, aber je länger ich im Bildungsbereich tätig war, umso weniger interessant war ich für die Unternehmen in anderen Schwerpunkten. Vor drei Jahren endete meine Stelle plötzlich und unerwartet. Im Nachhinein gesehen war es ein großes Glück, denn ich habe dadurch das Weiterbildungsstudium aufgenommen. Das war sozusagen „back to the roots“.
Dein größter Erfolg?
Viele Jahre später erkannt zu haben, dass manche schwierigen und weitreichenden Entscheidungen, die ich bewusst oder unbewusst treffen musste, sich als richtig erwiesen haben.
Dein schlimmster Misserfolg?
Zum Glück habe ich keinen schlimmsten Misserfolg, der ein einschneidendes Erlebnis war, aber immer mal wieder kleinere und mittelgroße.
Wie empfindest Du Deine derzeitige Lebensphase?
Auf der einen Seite empfinde ich sie als sehr viel aufregender und angenehmer als ich sie mir vor 20 Jahren vorgestellt hätte. Andererseits merke ich, dass es keine wirklichen Vorbilder gibt. Wie lebt „frau” mit 50, 60, 70 Jahren mit all den Möglichkeiten, die sie heutzutage hat, aber auch den Einschränkungen, die das Alter(n) unweigerlich mit sich bringt? Welche Ziele habe ich, wenn ich schon einiges abgearbeitet habe oder anderes nicht mehr möglich ist?
Was hat Dich zu dem gemacht, was Du bist?
Ich denke, meine Fähigkeit, mich selbst in Frage zu stellen, aber ebenso bei mir zu bleiben und nicht immer dem Mainstream zu folgen.
Was ist Dein Rat an Frauen, die sich in der Mitte des Lebens neu aufstellen?
Es ist sehr ehrenvoll für mich, das gefragt zu werden. Ich sehe mich gar nicht in der Position, Ratschläge zu geben. Aber wenn mich eine Freundin fragen würde, würde ich ihr antworten, sie solle unbedingt professionelle Beratung in Anspruch nehmen. Das kann zum Beispiel ein Coaching sein oder ein Workshop. Und alles gut abwägen. Letztendlich besteht so eine Entscheidung aus vielen verschiedenen Faktoren, die dazu führen, den richtigen Weg einzuschlagen. Das eigene Bauchgefühl, persönliche Unterstützung von Familie und Freunden sowie die professionellen Impulse.
Es stimmt schon, dass gerade schwierige Phasen am meisten in Erinnerung bleiben und einen emotional weiterbringen können. Auch wenn ich zurzeit erfolgreich bin, so waren meine Voraussetzungen nicht immer gut und deshalb glaube ich, dass es auch andere schaffen können.
Was möchtest Du unbedingt in diesem Leben noch mal tun?
Klavier spielen lernen. Und sehr gern noch einmal einen Hund bei mir aufnehmen. Aber das ist zeitlich im Moment aussichtsloser als das Klavierspielen.
Dein größtes Laster?
Vegetarisches Junk-Food und ab und zu Trash-TV.
Wie oder womit tankst Du am besten auf?
Unter anderem beim Lesen, Kochen, Spazierengehen. Als typisch Introvertierte kann ich mich am besten bei Ruhe und auch mal Alleinsein erholen. Ich liebe den Satz von Goethe: „Ich ging im Walde so für mich hin, und nichts zu suchen, das war mein Sinn.“ Wenn ich das hinbekomme, weiß ich, dass es mir richtig gut geht.
Wenn Du eine Superkraft wählen könntest, welche wäre das?
Unsichtbarkeit. Die würde vielleicht meine grenzenlose Neugierde endlich mal befriedigen.
Dein Rat an Dein früheres Ich?
Mach Dein Ding. Schau mehr auf das, was Du hast und nicht auf das, was fehlt.
Was hast Du zuletzt zum allerersten Mal gemacht?
Ich habe während meiner Weiterbildung das erste – und sicherlich das letzte – Mal in Physik eine 1,0 geschrieben.
Vielen Dank!
Das Interview führte Gerlind Hector, die auch auf Klimamanagerin setzen würde – falls sie nochmal umsatteln müsste. Ganz toll, was Beate Faulborn da angepackt und durchgezogen hat; vor allem die „naturwissenschaftlichen Module”, mit denen sie sich „quälen” musste! Die Superkraft „Unsichtbarkeit” wäre übrigens auch Gerlinds erste Wahl; was man da alles entdecken, erleben und belauschen könnte … herrlich!
Wenn Du auch Lust hast, uns von Deiner Neuaufstellung zu erzählen und ein tolles Foto von Dir hast, schreib eine MAIL