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Palais F*luxx

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Lesen oder lassen?

Buchbesprechung „Sie stehen nicht auf der Liste: Sätze, die ein Leben verändert haben“ von Amonte Schröder-Jürss

Die Journalistin Amonte Schröder-Jürss hat Menschen nach dem Satz gefragt, der ihr Leben verändert hat. Auch Silke war dabei. Und entgegen ihrer sonstigen Zurückhaltung Publikationen gegenüber, an denen sie beteiligt ist, konnte sie dieses Buch nicht zur Seite legen.


Worum geht’s?
Die Journalistin Amonte Schröder-Jürss hat verschiedene Menschen nach dem entscheidenden Satz in ihrem Leben gefragt – und die Geschichte hinter diesem Satz aufgeschrieben. 24sehr unterschiedliche Erzählungen sind zusammengekommen. Von Menschen, die man kennt, Margot Friedländer und Düzen Tekkal etwa oder die des Schauspielers David Rott. Aber auch von Menschen, die wenig oder gar nicht bekannt sind und deren Erlebnis uns doch alle etwas angeht. Wie die des Kriegsfotografen Wojciech Grzedziński oder die von Ute H., deren familiäre Geschichte sich hinter der titelgebenden Story „Sie stehen nicht auf der Liste“ verbirgt. Und die stellvertretend für das Elend und die Barbarei steht, in die und zu der die Nazi-Herrschaft unsere Vorfahren getrieben haben.

Was kann es?
Das Buch kann vor allem berühren. Nicht auf eine kitschige, sondern auf eine sehr lebensnahe Art. So unterschiedlich die Berichte sind, so stellvertretend stehen sie für das, was das Leben macht und ausmacht. Das führt zu großer Neugier den knapp 200 Seiten gegenüber. Man kann gar nicht genug bekommen von den Erzählungen und der Lösung der Rätsel, die die Sätze aufgeben. Der Assoziationen, die sie wecken, und der Gedankenspiele, die sie auslösen.

Was hat es mit mir zu tun?
Tatsächlich hat das mit mir, Silke, recht viel zu tun, denn eines Tages meldete sich Schröder-Jürss und fragte, ob ich mitmachen wolle. So hat das Buch mit mir zu tun, aber überraschenderweise kann ich es trotzdem gut finden.
Ich tendiere dazu, Publikationen, an denen ich beteiligt bin, nicht allzu ernst zu nehmen. Seitdem ich weiß, wie Zeitschriften gemacht werden, Bücher entstehen und vor allem die Sätze Prominenter ihren Weg auf die Buchrückseite finden, habe ich den Respekt davor verloren.
So habe ich auch mehr pflichtschuldig hineingeschaut – und bin dann mit dem ersten Kapitel hängen geblieben. Und habe gelesen und gelesen, bis es leider viel zu früh aufhört.

Warum sollte mich das interessieren?
Weil es wohl in unser aller Leben einen solchen Satz gibt. Einen Satz, der Leid, Glück, Elend, Erlösung ausgelöst hat. Einen Satz, der uns auf den richtigen Weg gebracht hat, die Schuld von uns genommen oder unsere Abhängigkeit von anderen vor Augen führt.
Das Buch animiert, sich zu überlegen, welcher Satz, welche Aussage im eigenen Leben von Bedeutung ist und darüber nachzudenken, wie schön es ist, dass Sätze das eigene Denken ändern können. Dass sie einen befreien können, die Augen öffnen, das Leben verändern.

Wie ist es geschrieben?
So unterschiedlich wie die Menschen sind, die hier zu Wort kommen, so unterschiedlich sind ihre Stimmen. Amonte Schröder-Jürss gelingt es, jeder Person ihren eigenen Ton zu lassen und dadurch eine Vielstimmigkeit zu erzeugen, die einen wünschen lässt, der Chor wäre größer. Gern würde man noch so viel mehr Menschen hören!
Aber, und das ist das Gute, wer braucht dafür schon ein Buch? Einfach mal andere fragen und sich ihre Geschichte erzählen lassen. So einfach ist das!

Kostprobe 
„Du brauchst Dein Abitur nicht nachzumachen. Kochen ist ein geiler Beruf“. Max Strohe (42), Sternekoch und Restaurantbesitzer

“Mein Vater hat natürlich Abitur gemacht, Medizin studiert, spricht Griechisch und all diese Sachen. Er ist Antiquitäten- und Kunsthändler, liest hauptsächlich, guckt Arte und kein Netflix. Er hält Menschen, die ein Wohnzimmer haben, für kleinbürgerlich. Mein Vater ist Ästhet und Exzentriker. Kunstbesessen, ein unverbesserlicher Idealist. Viele verschiedene Frauen, viele verschiedene Kinder mit eben diesen verschiedenen Frauen.
Dieser Steinbutt hat meinen Vater, um dessen Stolz es mir ging, um dessen Stolz ich buhlte, dazu verleitet, mir zu sagen, wie toll das sei, was ich in meiner Ausbildung lernen würde. Was für ein schöner Beruf das wäre. Dass, wenn er nochmal geboren wurde, er sicherlich auch Koch werden würde.
Und da dieser Mensch in keiner Weise berechnend ist oder plant, was er sagt, konnte ich das so wahnsinnig ernst nehmen. Wenn dieser Mann sagt – und er war ja alles, was ich mal werden wollte –, das sei ein geiler Beruf, dann ist es vielleicht gar nicht so ein Scheißberuf. Und dann habe ich mich nicht mehr so sehr geschämt dafür.“

Besprechung: Silke Burmester

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