Close

Palais F*luxx

Online-Magazin für Rausch, Revolte, Wechseljahre

Close

Es befinden sich keine Produkte im Warenkorb.

Lesen oder lassen?

Buchbesprechung: „Iowa, ein Ausflug nach Amerika“ von Stefanie Sargnagel

Stefanie Sargnagel reist im Jahr 2022 nach Iowa, um an der Uni Kreatives Schreiben zu unterrichten. Mit dabei: Christiane Rösinger, Mitgründerin der Lassie Singers. Was kann da noch schiefgehen?, fragt sich Rezensentin Eva Häberle.

Worum geht es?
2022 reist die Schriftstellerin Stefanie Sargnagel nach Iowa, um an der Universität einer Kleinstadt namens Grinnell Kreatives Schreiben zu unterrichten. In den ersten Wochen wird sie begleitet von ihrer Künstlerfreundin Christiane Rösinger, der legendären Berliner Musikerin, Autorin und Mitbegründerin der Lassie Singers.

Christiane Rösinger ist heute 62, sie könnte Sargnagels Mutter sein. Wir erfahren zunächst wenig über Iowa, dafür viel über das Verhältnis von Sargnagel und Rösinger, über deren Lebensumstände, über drohende Altersarmut und darüber, warum Rösinger für Sargnagel ein Idol war und heute noch ein Role Model ist.

Bei „Iowa“ handelt es sich im weiteren Verlauf um eine Art erweitertes Reisetagebuch, es enthält Erlebnisberichte, die häufig zu Exkursen allgemeinerer Art führen. So geht es nicht nur um schäbige kleinstädtische Absturzkneipen, deren kulinarische Leckerbissen eingelegte Truthahnmägen sind, sondern auch um Fragen wie Cancel Culture, Alter, Schönheit und Feminismus oder gar Esoterik und Wissenschaft.

Was kann es?
Sargnagel berichtet sehr genau, schildert pointiert und seziert gnadenlos, was ihr an Orten und Erlebnissen unterkommt. Wobei sie sich selbst auch nicht schont. Die lustigsten Stellen sind nicht unbedingt die, in denen die Verwerfungen und die Absurditäten des Gastlandes beschrieben werden, sondern die, in denen dieser farblose, für eine Großstädterin völlig unspannende Ort sie auf sich selbst zurückwirft. In diesen Momenten kommentiert sie ihr eigenes Leben und das der urbanen liberalen Blase mit dem gleichen schwarzen Humor, mit dem sie dem Mittleren Westen der USA begegnet. Und zwischendurch ist es nicht nur lustig, sondern auch bitter. So entgeht Sargnagel der Falle, sich schlicht über das Gesehene lustig zu machen, ihr Text ist scharfzüngig, das Ganze wirkt aber eher verstört als böse.

Immer wieder korrigiert und kommentiert Christiane Rösinger in Fußnoten Sargnagels Beobachtungen und Behauptungen, was der Geschichte einen zusätzlichen Dreh verleiht. Rösingers Kommentare sind sozusagen die Kirschen auf der Torte. Die beiden kabbeln sich wechselseitig in einer Art liebevollem Boomer-Millennial-Bashing.

Es ist ein Spaß, mit den beiden Frauen an einen Ort zu reisen, den man aus Filmen und Berichten schon zu kennen glaubt. Denn das Thema ist zwar die kaputte Supermacht USA, dennoch geht es auch um Frauenfreundschaft und die eigene Haltung zum Leben. Iowa klingt schlimm, aber man würde mit den beiden überall hinfahren wollen.

Was hat das mit mir zu tun?
Ich habe die 90-er Jahre in Berlin verbracht, es war die prägendste Zeit meines Erwachsenenlebens und die Lassie Singers haben mich viele Jahre begleitet. Stefanie Sargnagel formuliert ihre Begegnung mit den Lassie Singers zu dieser Zeit so: „Damals hat man nicht viel über Feminismus gesprochen, mir war gar nicht klar, dass man feministische Lieder schreiben kann; ich fand sie einfach rührend, lustig, anarchistisch. Der heitere Trübsinn, den sie verbreiteten, fühlte sich intuitiv richtig an.“

Genauso habe ich das auch empfunden. Ich habe mir die Lieder bei der Lektüre des Buches wieder angehört und sie funktionieren immer noch. Lustig, trotzig. „Ironisch verdrossen.“

Insofern ist Stefanie Sargnagel eine legitime Erbin dieser Frauen. Die Vertreterinnen beider Generationen passen gut zusammen, auch wenn Sargnagel gern noch eine Schippe Sarkasmus drauflegt.

Warum sollte mich das interessieren?
Das Buch ist etwas für alle Freundinnen des Sargnagel-spezifischen, österreichischen Humors und für alle Fans von Christiane Rösinger.

 Kostprobe 
„Den Kontakt zu meinem Freund habe ich vernachlässigt, der Zeitzonenunterschied macht es schwer, sich regelmäßig auszutauschen. Ich vermisse ihn sehr und habe ihm gestern ein Busenbild geschickt, von oben mit zusammengepressten Armen, damit sie besonders prall wirken. Seine Antwort: „Bist du besoffen?“ Nacktbilder schicken ist verdächtig, es beißt sich mit meiner Persönlichkeit. Erotisch verspielte feminine Gesten habe ich nicht drauf, mein Begehren drückt sich brachial und unverstellt aus. Weiblichkeit ist ein Schauspiel, das ich nicht beherrsche. … Im lesbischen Geschlechtsleben wäre ich eine Butch, im heterosexuellen Verhältnis bin ich verloren. Die Heterobutch ist verdammt zu einem Leben als Außenseiterin, sie muss in den Bergen leben mit ihrer Axt und auf Verirrte warten, denen sie die Beine abtrennen kann, damit sie bei ihr bleiben.“

Stefanie Sargnagel: „Iowa, ein Ausflug nach Amerika“, Rowohlt Buchverlag, 304 Seiten, 22 Euro
Bestellen könnt Ihr all unsere Buchempfehlungen bei unserer Buchhandlung des Herzens: cohen + dobbernig in Hamburg. Ansonsten kauft es bei eurer lokalen Buchhandlung.

Besprechung: Eva Häberle

Close