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Palais F*luxx

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Job & Menopause – Frau Scholten weiß Rat!

Zeit des Schweigens

Britta Scholten ist unsere Führungsfrau in der „Wechselwirtschaft“
Foto: picturepeople

Der Anruf kommt nach meinem letzten Artikel, hier in der Palais F*luxx „Wechselwirtschaft“. „Britta, ich habe gelernt, Kritikgespräche zu führen und Tränen in der Teamsitzung zu ertragen. Ich kann auch den Kollegen auf seinen Schweißgeruch hinweisen. Aber mit Frau Schneider über ihre Blutungen sprechen? Da steigt mir das Blut in den Kopf!“

Es ist ein ehemaliger Kollege, Anfang 30 und seit zwei Jahren Führungskraft. Als ich ihm von der „Wechselwirtschaft“ erzählte, musste er grinsen: „Neulich wedelte Frau Schneider die ganze Zeit mit ihren Unterlagen. Das war wohl die Reaktion auf eine Hitzewallung.“ Er versprach, sich mit den Artikeln zu beschäftigen, denn: „Ich habe null Ahnung von den Wechseljahren, geschweige denn, wie es Frau Schneider damit im Job geht.“

Auch eine Freundin meldet sich nach dem Lesen von „Starke Frauen, starke Blutungen“: „Ich würde mir lieber drei Binden in den Slip tackern, als meiner durchgestylten Chefin zu erzählen, dass bei mir das Blut nur so raussprudelt.“

Sind wir also immer noch sprachlos, wenn es um die Wechseljahre geht? Oder verstummen wir nur bei bestimmten Symptomen? Können wir Hitzewallungen souverän mit dem handbemalten spanischen Fächer wegwedeln, während wir uns beim Thema Blutungen dagegen schamvoll auf der Toilette verrammeln?

In Großbritannien sollen „Menopause Policies“ helfen. Solche unternehmensweiten Leitlinien sind ein wichtiger Schritt, um die einzelne Frau und die einzelne Führungskraft zu entlasten. Doch helfen sie auch im direkten Gespräch? Der Gesundheitsservice NHS Fife zum Beispiel empfiehlt dazu in seiner „praktischen Anleitung für Mitarbeiterinnen: ‚Bitte um ein Gespräch an einem Ort, der Dir genug Privatsphäre ermöglicht‘ oder ‚Schreibe Dir vorher auf, welche Probleme Du ansprechen möchtest‘“. Ach. So einfach ist das also. Noch besser ist das Formular für Führungskräfte, mit dem sie das Gespräch dokumentieren – und unterschreiben lassen können. Linien für die Unterschriften inklusive. Aber wie man die passenden Worte findet, wie man das Thema Wechseljahre ohne Scham anspricht – dazu gibt es keine Vorschläge.

Was Frauen tun können:

Also müssen wir uns selbst einen Leitfaden erarbeiten. Das fängt mit der inneren Haltung zu den Wechseljahren an. Sind sie für mich peinlich oder Zeichen des Niedergangs, werde ich versuchen, Symptome zu vertuschen und mich weiterhin als jung(geblieben), aktiv und belastbar zu verkaufen. Eventuell bis zum Burnout. Sehe ich die Wechseljahre dagegen als Zeichen des Wandels, als Beginn einer Zeit, in der ich zu einer ganz neuen Stärke gelangen kann, werde ich souveräner die Erleichterungen einfordern, die mir jetzt gut tun. Und ja, lieber NHS Fife, natürlich platzen wir nicht spontan ins Büro der Chefin und werfen ihr an den Kopf, dass sie gefälligst was gegen unsere Wechseljahresbeschwerden tun soll!

Der zweite Schritt heißt: Üben! Es muss ja nicht sofort das Gespräch mit der Führungskraft sein, man kann auch im privaten Umfeld üben, Worte wie Östrogen oder Eierstöcke in den Mund zu nehmen. Auch ich habe einige Zeit gebraucht, um über meine Arbeit als Wechseljahresberaterin ohne Anführungszeichen und ironisches Augenzwinkern zu sprechen. Inzwischen texte ich jeden ungefragt zu und führe dadurch spannende Gespräche – übrigens gerade mit jüngeren Männern!

Für Kritikgespräche gilt die Empfehlung, ohne Umschweife gleich zur Sache zu kommen. Das passt auch für Gespräche über die Symptome der Wechseljahre, zum Beispiel: „Sie wissen, wie alt ich bin, Sie wissen, dass in diesem Alter die Wechseljahre zu Veränderungen führen. So auch bei mir. Einiges davon macht es mir nicht leicht, den Arbeitstag konzentriert zu bewältigen. Ich möchte daher gerne über einige Ideen sprechen, wie ich besser und leistungsfähiger durch den Tag kommen kann.“ So wird das Gespräch schnell auf die Diskussion der sachlichen Lösungen geführt – und damit einfacher für beide Seiten.

Was Unternehmen tun können:

Betroffene Frauen brauchen Ansprechpartner:innen. Nicht immer ist die direkte Führungskraft die beste Wahl. In Studien, zum Beispiel von Professor Amanda Griffiths, wird immer wieder festgestellt: Viele Frauen finden es schwer, mit Vorgesetzten über ihre Beschwerden zu sprechen, gerade, wenn diese jünger und/oder männlich sind.

Neutrale Anlaufstellen können die Lösung sein: zum Beispiel Frauenvertretungen, Betriebs-/Personalräte, Gleichstellungsbeauftragte, aber auch betriebliche Gesundheitsmanager:innen. Externe Angebote können gerade für kleinere Unternehmen interessant sein: Employee Assistance Programs, Sprechstunden bei Betriebsärzt:innen oder Wechseljahresberaterinnen.

Führungskräfte können auch in ihrer Gesprächskompetenz geschult werden. In Seminaren zum Thema „Gesunde Führung“ wird zum Beispiel geübt, wie man mit dem Team über Stress redet oder wie man Suchtprobleme anspricht. Ein Special zum Thema Wechseljahre könnte die Sprachlosigkeit überwinden helfen.

Aber die offene Kommunikation über Wechseljahre muss auch in der Unternehmenskultur ankommen. Hier brauchen Frauen Vorbilder. Weibliche Führungskräfte, die bereits eigene Erfahrungen mit den Wechseljahren gemacht haben und offen darüber sprechen. Ein tolles Beispiel sind Dr. Natalie Lotzmann (Vice President Human Ressources und Chief Medical Officer bei SAP) und ihre Kollegin Nina Strassner (Head of Diversity & People Programs German bei SAP). 2021 haben sie in einem Talk anlässlich des World Menopause Days sehr offen über die Auswirkungen der Wechseljahre gesprochen. 600 Beschäftigte sollen dabei gewesen sein. Auf LinkedIn bekam der Post über den Talk begeisterte Kommentare – von Frauen und von Männern. Aber – nur 43. Und 355 Likes (Stand heute) – ein Zeichen dafür, dass die Zeit des Schweigens auch online noch längst nicht überwunden ist.

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