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Palais F*luxx

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Job & Menopause – Frau Scholten weiß Rat!

Hormone – ja, nein, vielleicht

Britta Scholten ist unsere Führungsfrau in der „Wechselwirtschaft“
Foto: picturepeople.de


„Schwangerschaften, Menstruationsurlaub und jetzt auch noch die Wechseljahre! Frauen und ihre Hormone passen echt nicht zum Arbeitsleben!“, stöhnt Mark, Bereichsleiter in einer Versicherung beim Abendessen unter Freunden. Sigrid, 60, nimmt noch einen Schluck vom Wein, bevor sie ihm zustimmt: „Ich verstehe das Getöse mit den Wechseljahren auch nicht. Da muss man einfach die Zähne zusammenbeißen, das ist ja keine Krankheit. Und wenn‘s doch schlimm wird, nimmt man halt eine Zeit lang Hormone.“

Ja, Sigrid, kann man machen. Muss man aber nicht. Für jede Frau gibt es den richtigen Weg im Umgang mit Hormontherapien und für alle Wege gibt es gute Gründe.

In den Wechseljahren gehen die Hormone Östrogen und Progesteron in den dauerhaften Winterschlaf.  Damit wird eine Vielzahl von Körperfunktionen verändert, denn die Hormone beeinflussen nicht nur unsere Fortpflanzungsfähigkeit, sondern auch andere Regelkreise: zum Beispiel den Wasserhaus­halt, das Herz-Kreislauf-System, unser Gehirn, die Knochen … Da steht dann schnell die Idee im Raum: Pille einwerfen und gut ist. Die Pro-Hormon-Vertreter:innen, z. B. die Gynäkologin Sheila de Liz, sagen sogar, dass es ohne Hormongabe auf Dauer zu ernsthaften Gesundheits­schäden kommt. Auf der anderen Seite stehen diejenigen, die Hormone verteufeln oder sie aus Angst vor Folgen wie Brustkrebs, Thrombosen oder Herzinfarkte ablehnen. Hier werden allerdings oft Äpfel mit Birnen verwechselt – genauer gesagt künstliche Hormone mit bioidentischen Hormonen. Und bereits vorerkrankte Frauen mit gesunden Frauen, bei denen das „goldene Zeitfenster“ für die Hormonersatztherapie noch weit offensteht.

Hormone sind nicht gleich Hormone

In den Schlagzeilen zum Thema Hormone wechseln sich Horrormeldungen mit Jungbrunnenversprechen ab. Kein Wunder, dass viele Frauen verunsichert sind. Daher ist es wichtig, einige zentrale Fakten richtig einzuordnen: Die großen Studien, die zu dem Aufschrei „Hormone machen krank“ führten, sind aus zwei grundsätzlichen Punkten nicht mit der heute vorherrschenden Therapie mit bioidentischen Hormonen zu vergleichen. Der erste Punkt: Diese Studien wurden mit künstlichen Hormonen durchgeführt. Dazu zählt z. B. das Premarin, das man aus dem Urin trächtiger Stuten gewinnt. Wer jetzt davon träumt, dass die Stuten sich erst mit einem kräftigen Hengst vergnügen dürfen und dann freiwillig auf der grünen Wiese in den bereitgestellten Eimer urinieren, darf gern weiterträumen. Allen anderen sollte klar sein, dass eine industrielle Produktion selten mit Tierwohl übereinzubringen ist. Dazu kommt: Künstliche Hormone wirken zwar ähnlich wie unsere körpereigenen Hormone, sind aber dennoch Fremdkörper und können erhebliche Nebenwirkungen haben.

Frauen sind nicht gleich Frauen

Der zweite Kritikpunkt bezieht sich auf den Aufbau der Studien. In der WHI-Studie von 2002 waren die teilnehmenden Frauen im Durchschnitt bereits 62 Jahre alt und altersbedingt bereits mit diversen Vorerkrankungen belastet. Heute geht man davon aus, dass es ein „goldenes Fenster“ für die Therapie mit Hormonen gibt. Es beginnt in der Peri-Menopause, also den Jahren vor der Menopause, und schließt sich 10 Jahre nach der letzten Regelblutung. Frauen, die eine Hormontherapie beginnen wollen, müssen also auf den richtigen Zeitpunkt achten. Es gilt aber auch: Die Hormontherapie beugt vor, heilt aber nicht bereits bestehende Krankheiten. D. h., haben sich schon die häufig auftretenden Begleiterscheinungen des Alters eingeschlichen, wie Bluthochdruck oder die ersten Verengungen in den Arterien, werden verantwortungsvolle Mediziner:innen von einer Hormongabe absehen und zu alternativen Behandlungsmethoden raten.

Also her mit den Hormonen?

Panik gegenüber der Hormon(ersatz-)therapie ist nicht ange­bracht. Aber man sollte sich auch nicht bedenkenlos von morgens bis abends mit Östrogengels einreiben und zum Abschluss noch einen Hub Progesteron nehmen. Denn es gibt auch den Mittelweg: Hormone nur dann einzusetzen, wenn sie gebraucht werden, um Beschwerden zu lindern, die nicht mit anderen Maßnahmen in den Griff zu bekommen sind. Und dann nur so kurz wie möglich. Weil unser Körper nicht darauf angelegt ist, auf Dauer mit hohen Mengen unserer Sexualhormone zurechtzukommen. Diese Ansicht vertreten z. B. die Gynäkologin Heide Fischer oder die Expertinnen des FFGZ Berlin. 

Was Frauen tun können:

Frauen sollten vor allem eins tun: sich bewusst entscheiden und sich nicht wegen jeder neuen Schlagzeile in den Zeitschriften verrückt machen. Auch in den Leitlinien der Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe steht das Thema Information ganz weit vorn. Ärzt:innen wird in dem Abschnitt unter „Informationsbedürfnisse“ empfohlen, Frauen über die Symptome der Wechseljahre, hormonelle Behandlungen, ihren Nutzen und ihre Risiken, aber auch über Maßnahmen, die die allgemeine Gesundheit und das Wohlbefinden verbessern können, zu informieren.

Ein bisschen Mathematik kann auch nicht schaden. Damit lassen sich nämlich Risiken besser einschätzen. „Erhöhtes Risiko“ heißt nicht, dass nun alle Frauen reihenweise dahingerafft werden und „Risiko“ heißt auch nicht, dass es mich auf alle Fälle treffen wird. Wer mutig ist, betrachtet sein persönliches Risiko mal ganz ehrlich: Warum ist das „erhöhte Risiko“ durch ein Thema aus den Wechseljahren auf einmal so dramatisch, wenn wir uns jeden Tag im Straßenverkehr höheren Risiken aussetzen, abends regelmäßig mit einem Glas Wein entspannen oder uns ein leckeres Menü mit pestizid-belasteten Lebensmitteln zubereiten? (Die TH Köln und die FAU Erlangen-Nürnberg haben zum Umgang mit Risiken im Alltag einen guten Test entwickelt. Bitte alle vier Teile durchhalten, auch wenn der erste sehr mathematisch ist!)

Wenn im „goldenen Fenster“ die Entscheidung für Hormone fällt, sollten es bioidentische Hormone sein, die vorzugsweise transdermal, also über die Haut gegeben werden. Damit ist die Leber aus dem Spiel und kann sich auf ihre eigentliche Arbeit konzentrieren – sie hat bereits genug mit der Verstoffwechselung während der gesamten Hormonumstellung zu tun. Als letzter Tipp: Jede Frau hat das Recht, gut beraten und mit ihren Fragen und/oder Beschwerden ernst genommen zu werden. Wiegelt der Arzt oder die Ärztin mit Sprüchen wie „Da müssen Sie halt durch“ ab oder greift ohne Beratung zum Rezeptblock, sollte man sich nach jemand Neuem umhören.

Was Unternehmen tun können:

Leider bietet unser Gesundheits-System noch nicht durchgängig eine gute Beratung zu den Wechseljahren und der Behandlung der Symptome an. Solange das so ist, können Unternehmen mit Informationsangeboten im Rahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements bei Frauen punkten. Statt des 10. Nichtrauchertrainings mit Hypnose oder dem Ergonomietraining könnte ein Vortrag über die Möglichkeiten und Grenzen der Hormontherapie in den Wechseljahren auf dem Programm stehen. Übrigens interessieren sich auch zunehmend Männer dafür, was ihre Partner:innen in dieser Zeit durchleben und wie sie gemeinsam besser damit umgehen können.

Informationsangebote sind hilfreich und eine gute Sache. Wichtig ist aber auch, zu akzeptieren, dass jede Frau die Wechseljahre sehr individuell erlebt. Das, was bei der einen funktioniert, muss nicht bei der anderen passen. D. h. auch wenn die Frau des Chefs oder die Mutter der Abteilungsleiterin mit Hormonen problemlos durch die Wechseljahre geht, muss nicht jede Mitarbeiterin diesen Weg wählen. Daher sind weiterhin Verständnis und Empathie nötig, wenn eine Frau z. B. ihre Schlafstörungen pflanz­lich behandeln möchte und die Erfolge erst nach ein paar Wochen zu spüren sind. Dieselbe Lässigkeit zeigen die meisten Führungskräfte auch Raucher:innen gegenüber, die trotz Raucherentwöhnungsprogrammen nicht von den Zigaretten wegkommen. Toleriert man als Unternehmen Rauchpausen, wohl wissend, dass dieses Verhalten ein erhöhtes Krankheitsrisiko und damit Ausfallkosten mit sich bringt, darf man auch ein größeres Verständnis gegenüber Frauen entwickeln, die „Wechseljahre haben“.

Links zu:

Sheila de Liz

FFGZ

Heide Fischer

Leitlinien

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