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Palais F*luxx

Online-Magazin für Rausch, Revolte, Wechseljahre

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Wenn die Blase nicht mehr richtig schließt



Die Menopause hält Überraschendes bereit und der Körper veranstaltet eigenartige Dinge.
Gut, wenn unsere Wechseljahrsexpertin Britta Scholten mal einen Blick drauf wirft.

Aus der Werbung kennen wir es: Verschämt flüstert eine Frau ihrer Yoga-Freundin zu: „Ich habe Angst, dass etwas ganz anderes fließt.“ Genauso ging es Rita, 51. Während ihrer letzten Erkältung lief ihr die Flüssigkeit nicht nur aus Nase und Augen, sondern auch immer häufiger beim Niesen in die Unterhose. Danach ging es weiter: beim Heben eines Umzugskartons, beim Lachanfall, beim Comedyabend, beim Tennisspielen. Rita musste feststellen: So ganz dicht ist sie nicht mehr.

Bin ich krank oder sind das die Wechseljahre?

Wenn die Blase nicht mehr zuverlässig verschlossen bleibt, sondern ungewollt Harn abgibt, können Krankheiten dahinterstecken. Bei Frauen z. B. Harnsteine oder verletzte bzw. gereizte Nerven. Bei Männern häufig eine vergrößerte Prostata. Natürlich hat die Pharmaindustrie diverse Mittel im Repertoire. Fahrgästen der Bahn ist sicherlich die Werbung bekannt, die geschickt vor den Toiletten platziert ist. Jahrelang richtete sie sich nur an Männer als Zielgruppe. Mit einem Produktnamen, der sich gut bei der Prostata bedient hatte. Erst seit einiger Zeit werden auch Mittel für Frauen beworben. Ein Zeichen, dass es normaler wird, über Inkontinenz zu reden?

Zeit wäre es, immerhin sind 11 bis 27 Prozent der Frauen im Palais-Fluxx-Alter von Inkontinenz betroffen. Und auch junge Menschen können schon unter den verschiedenen Formen der Inkontinenz leiden. Bei Rita liegt eine Belastungs- oder auch Stressinkontinenz vor. Dabei kommt es bei körperlichen Belastungen zu unkontrolliertem Harnabgang. Ursache ist häufig ein zu schwacher Beckenboden. 

Mehr ist nicht besser

Die Evolution hat es beim Beckenboden gut mit den Frauen gemeint: Er hat gleich drei modische Cut-outs. Während sich Männer mit zwei Durchgängen begnügen müssen (Harnröhre und Anus), führt bei Frauen auch die Vagina durch den Beckenboden. Leider gilt damit auch: Wo ein Loch mehr ist, ist auch weniger (Durch-)Haltevermögen vorhanden. Stellt man sich den Beckenboden wie eine Hängematte vor, wird schnell klar: Löcher sind nie gut, aber zwei sind immerhin noch besser als drei. Genauso ist das bei unserem Beckenboden. Mit den drei Cut-outs ist der weibliche Beckenboden leider schon strukturell schwächer als der zweifach gelöcherte der Männer. In den Wechseljahren spielt dann das Östrogen auch noch eine sinkende Rolle: Durch den Rückgang der Hormone verliert der Beckenboden seine Elastizität und kann daher seiner Funktion nicht mehr gut nachkommen. Das Halten der inneren Organe und das zuverlässige Verschließen der Ausgänge von Blase und Darm werden nun herausfordernder.

Östrogen nicht allein auf der Anklagebank

Der Fall: ein geschwächter Beckenboden. Angeklagt ist: das Östrogen, Östradiol. Und daneben auch: schweres Tragen, wie z.B. bei einer Schwangerschaft. Die angeborene Bindegewebsschwäche. Rauchen. Übergewicht. Falsche Bauchübungen. 

Moment. Falsche Bauchübungen? Habe ich mir vielleicht sogar etwas Gutes getan, wenn ich mich den anpeitschenden Anweisungen meines Trainers im Fitnessstudio widersetzt habe, wenn er noch 20 Crunches sehen wollte? Das kann sein. Zumindest wenn sie schlampig ausgeführt werden, denn gerade Crunches belasten den Beckenboden stark. Genauso wie Niesen in der geraden Linie. Daher hat Corona uns mit der Niesetikette tatsächlich etwas Gutes gebracht: Niesen wir in die Ellenbogenbeuge, schonen wir nicht nur unsere Mitmenschen, sondern auch unseren Beckenboden. Den sollten wir beim Niesen auch noch anspannen, um die Belastung gut aufzufangen. Dann brauchen wir auch weniger Inkontinenzprodukte, um die Tröpfchen aufzufangen.

Die Klempnerin in uns

Um die tropfende Harnröhre zu verschließen, hat die Klempnerin in uns drei Werkzeugkoffer zur Verfügung. Im ersten geht es um Dämmmaterial: Inzwischen gibt es zahlreiche Binden und Höschen, die den Schaden auffangen. Der zweite Werkzeugkoffer ist mit Mitteln der Naturheilkunde gefüllt: Kürbiskerne schmecken z.B. nicht nur lecker, sondern wirken auch stärkend auf Blase und Harnwege. Brennnesseln spülen die Harnwege gut durch und können Entzündungen verhindern. Und ein Umschlag mit Heublumen wirkt beruhigend auf gestresste Blasen. Den dritten Werkzeugkoffer schauen wir uns genauer an: In ihm stecken Übungen zum Trainieren des Beckenbodens (Beckenbodentraining). Dazu findet man leicht Anleitungen. Es ist aber auch ein Einfaches, ihn nicht richtig zu trainieren. Das schadet nicht unbedingt, bringt aber auch nichts. Daher lohnt es sich, die ersten Übungen mit professioneller Unterstützung zu erlernen. Allein um den Beckenboden erst einmal zu finden und zu spüren.

Wenn die Klempnerin allerdings bereits sorgenvoll den Kopf schüttelt und „Oh, oh“ sagt, sollte der Weg in die urologische Praxis führen. Auch bei starker Inkontinenz gibt es gute Behandlungsmöglichkeiten. Von Stütztampons bis hin zu operativen Eingriffen, in denen ein Band zur Stützung eingesetzt wird.

Grashalme pflücken und mit dem Pinsel malen

Zwei Übungen hatte ich im letzten Artikel bereits angekündigt: das Grashalmpflücken mit der Vagina und den Steißbeinpinsel. Zum Grashalmpflücken stellt Ihr Euch vor, auf einer Wiese zu sitzen. Nackt. Zumindest „untenherum“. Ihr entspannt Euch (zum Beckenbodentraining gehört auch immer die Entspannung) und tastet mit Eurer Vagina dann nach dem ersten Halm (ja, ich weiß, das kitzelt). Einsaugen, fest zupacken und sanft aus dem Boden ziehen. Für den ersten so gepflückten Strauß spendiere ich das gute Porzellanväschen, das ich zur Konfirmation geschenkt bekommen habe.

Die zweite Übung sieht auf der Wiese vielleicht etwas merkwürdig aus und passt daher besser ins Wohnzimmer. Ihr geht in den Vierfüßlerstand und befestigt gedanklich einen Pinsel am Steißbein. Dann darf gemalt werden, eine Art private „Let‘s change the picture!“-Aktion. Malt schöne große Kreise an die Wand, streicht auf und ab, von links nach rechts. So bringt Ihr nicht nur Euer Becken und den Beckenboden in Schwung, sondern könnt auch Eure Wohnung in neue Farben tauchen. Für das erste Foto mit einer so entstandenen Wanddeko spendiere ich den Bilderrahmen!

Und wer diese Übung lieber im Schlafzimmer machen möchte: auch eine gute Idee. Ein gut trainierter Beckenboden ist auch begeisterungsfähiger für Orgasmen. Die man natürlich auch im Wohnzimmer haben darf. Oder in der Küche. Im Flur. Auf der Wiese. Das wäre dann auch eine gute Überleitung für den Sex der Woche.

Zahlen
Crunches
Selbsthilfe
Beckenbodentraining
Stütztampons

Britta Scholten ist ausgebildete Wechseljahrsberaterin, aber keine Medizinerin. Bei Unsicherheiten, starken oder langanhaltenden Beschwerden unbedingt eine Ärztin oder einen Arzt aufsuchen.

Illustration: Brigitta Jahn

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