Die Menopause hält Überraschendes bereit und der Körper veranstaltet eigenartige Dinge.
Gut, wenn unsere Wechseljahrsexpertin Britta Scholten mal einen Blick drauf wirft.
Beim morgendlichen Yoga wird aus der tiefen Vorbeuge inzwischen nur noch eine knappe, unhöfliche Verbeugung. Die gefüllte Teekanne fällt mir beinahe aus der Hand, weil der Schmerz aus meinem Tennisellenbogen durch meinen Arm zuckt. Stehe ich nach einem längeren Meeting wieder auf, muss ich meine Achillessehnen erst wieder überzeugen zu funktionieren. Mit dem Resultat, dass mich meine Kollegin fragt, ob ich mich verletzt habe.
Bin ich krank oder sind das die Wechseljahre?
Verletzt bin ich von den Worten meines Orthopäden, als ich mit diesen Problemen zu ihm gehe. „Mit dem Alter wird das nicht mehr besser“, sagt er. Immerhin nimmt er mir Blut ab, um die Rheumawerte zu checken. Meine Frage, ob in meinem Alter nicht eher die Wechseljahre Ursache für meine Beschwerden sein könnten, da ich zuvor keine Probleme mit Gelenken, Sehnen und Muskeln gehabt hatte, ignoriert er, während er die Kortison-Spritze aufzieht. „Typisch für Orthopäden!“, schimpft meine Gynäkologin. Denn natürlich könnten meine Beschwerden auch von den Wechseljahren kommen.
Gelenkverfall durch Östrogenabfall?
Während der Wechseljahre sinkt die Produktion der Östrogene, die unter die Gruppe der Sexualhormone fallen. Der Zusammenhang zwischen den Sexualhormonen und den beiden großen Veränderungszeiträumen Pubertät und Wechseljahre leuchtet den meisten ein. Viel überraschender ist aber, dass Östrogene auch für unsere Gelenke eine große Rolle spielen. Die Gelenke verbinden Knochen und ermöglichen uns so alle möglichen Bewegungen. Damit die Knochen dabei nicht direkt aufeinander reiben, hat die Natur Stoßdämpfer entwickelt: die Knorpel. Sie haben keine eigenen Blutgefäße und werden daher von der Gelenkflüssigkeit mit Nährstoffen versorgt. Östrogene beeinflussen nicht nur unseren Zyklus, sondern haben auch einen großen Einfluss auf den Wasserhaushalt. Und da schließt sich der Kreis: Sinkt der Östrogenspiegel, wird der Gelenkschmierstoff zäher und ernährt den Knorpel nicht mehr so gut wie früher. Das Resultat: Statt anmutig und geschmeidig durch Leben zu springen, brauchen wir nun nach Ruhephasen eine längere Anlaufzeit.
Krachende Gelenke – krachende Knochen?
Krachen und knirschen die Gelenke, taucht bei vielen Frauen eine weitere Angst auf: Osteoporose, das Porös-Werden der Knochen. Tatsächlich haben Frauen nach den Wechseljahren ein größeres Risiko für diese Erkrankung. Auch hier spielen die Östrogene eine Rolle. Knochen werden ständig auf- und abgebaut. Östrogene unterstützen dabei die knochenaufbauenden und hemmen andererseits die knochenabbauenden Prozesse. Fehlt das Östrogen, kippt die Balance dieser Prozesse und die Knochen können löchriger und damit anfälliger für Brüche werden. Allerdings muss man auch andere Einflüsse im Blick haben – so haben zum Beispiel Raucherinnen oder sehr schlanke Frauen auch unabhängig von der Hormonsituation ein erhöhtes Risiko, an Osteoporose zu erkranken.
Griff in den Gewürzschrank
Vor oder zumindest zusätzlich zu dem Griff in den Medizinschrank lohnt sich der Griff in den Gewürz- und Kühlschrank. Sind die Schmerzen sehr stark, können nach Rücksprache mit der Ärztin Schmerzmittel helfen. Auch die Hormonersatztherapie kann eine Lösung sein, da sie direkt an dem veränderten Hormonspiegel ansetzt und so u.a. die Ursache für Gelenkbeschwerden wieder abmildern kann.
Wer es ohne Medikamente und Hormone probieren möchte, checkt Gemüsefach und Gewürzschrank. Im Gemüsefach sollten Nahrungsmittel liegen, die uns mit vielen Mikronährstoffen versorgen und entzündungshemmend wirken. Grün ist dabei eine gute Wahl: zum Beispiel Grün- oder Weißkohl, Brokkoli, Petersilie. Im Gewürzschrank sollte Kurkuma nach vorne gerückt werden. Die entzündungshemmende Wirkung der Kurkuma-Wurzel ist bereits aus dem Ayurveda bekannt. Sie kann in asiatisch angehauchte Gerichte gerieben oder als Kurkuma-Latte getrunken werden. Wer es lieber praktisch liebt, kann auch zu Tabletten oder Pulvern greifen. Und wer heimische Geheimwaffen bevorzugt, nutzt die entzündungshemmende Wirkung der Hagebutte.
Diät und Dauerläufe
Eine nährstoffreiche Ernährung mit viel Gemüse und Obst ist eine gute Strategie, unsere Knorpel weiterhin gut versorgt zu wissen. Bewegung ist die zweite Strategie. Auch wenn es schwerfällt, wenn die Gelenke bereits schmerzen: Bewegung ist meistens sinnvoller als die Schonhaltung auf dem Sofa. Außerdem kann auch Bewegung dazu beitragen, etwaiges Übergewicht abzubauen und das entlastet die Gelenke.
Als gelenkschonend gelten Sportarten, bei denen keine zusätzlichen Gewichte auf den Gelenken lasten – Radfahren, Walken oder Schwimmen. Yoga, gerade Yin-Yoga, dehnt die Faszien und sorgt dafür, dass unsere Beweglichkeit erhalten bleibt. Für kleinere Gelenke wie zum Beispiel die Finger bieten sich regelmäßige Übungen an. Ein Knetball lässt sich auch beim spannendsten Krimi noch zwischen den Händen drücken (und hilft auch dabei, die Spannung auszuhalten). Wer mehr Konzentration aufbringen kann, kann sich an komplexere Übungen wagen.
Massagen und mehr
Eine Massage mit durchblutungsfördernden oder kühlenden Salben oder Ölen, zum Beispiel mit Arnika, Beinwell oder Pfefferminze, kann guttun. Seit einiger Zeit wird Massageölen auch gerne Hanf, genauer gesagt CBD (Cannabidiol), zugesetzt. Es soll regenerierend auf die Gelenke wirken. Andere Hersteller setzen CBD eher wegen seiner entspannenden und beruhigenden Wirkung ein und empfehlen es für „romantische Massagen“. Auch Physio- und Ergotherapie sind sinnvolle Behandlungsmethoden, gerade um hilfreiche Bewegungsabläufe und Übungen kennenzulernen, die man dann dauerhaft in den Alltag integrieren sollte.
Wer es eher passiv mag: Schmerzende Gelenke mögen Umschläge. Ob Kälte oder Wärme besser hilft, hängt von der Art des Schmerzes und von den eigenen Vorlieben ab. Einfach ausprobieren. Auch ausprobieren sollte man den Kohlwickel. Ein Blatt Weißkohl wird so lange mit dem Nudelholz oder einer Flasche malträtiert, bis die Flüssigkeit austritt. Dann wickelt man sich das um das schmerzende Gelenk, fixiert es mit einer Mullbinde und versucht dann für eine Stunde oder über Nacht, den Kohlgeruch zu ignorieren. Nichts für leidenschaftliche Nächte, aber für die Gelenke tatsächlich sehr wirksam. Die sekundären pflanzlichen Inhaltsstoffe Flavanoide und Senfglycoside sind für die entzündungshemmende Wirkung verantwortlich.
Wo er recht hat, der Orthopäde
Mit dem Alter wird vieles tatsächlich nicht mehr besser, da hatte mein Orthopäde schon Recht. Die Rheumawerte checken zu lassen, ist auch eine gute Idee. Denn wenn hinter den Beschwerden tatsächlich eine rheumatische Erkrankung steckt, muss sie so früh wie möglich behandelt werden. Auch der allgemeine Verschleiß der Gelenke beginnt schon vor den Wechseljahren. Es gibt die Vermutung, dass die Wechseljahre nur bereits bestehende Probleme aufdecken. Dafür würde auch sprechen, dass wir durch den Rückzug der Hormone auch schmerzempfindlicher werden. Dennoch sollten auch Orthopäden die Wechseljahre als Ursache für Gelenkbeschwerden in Betracht ziehen. Warum sie es häufig nicht tun, erklärt vielleicht ein Blick in die Statistik: 2021 waren 15,3 Prozent der Orthopäden weiblich, bei den Gynäkologen waren es dagegen 70,9 Prozent.
Kurkuma
Hagebutte
Fingerübungen
Zahlen zu Anteil Ärztinnen
Britta Scholten ist ausgebildete Wechseljahrsberaterin, aber keine Medizinerin. Bei Unsicherheiten, starken oder langanhaltenden Beschwerden unbedingt eine Ärztin oder einen Arzt aufsuchen.
Illustration: Brigitta Jahn