Close

Palais F*luxx

Online-Magazin für Rausch, Revolte, Wechseljahre

Close

Es befinden sich keine Produkte im Warenkorb.

Endlich 50

Nein, 50 sind nicht die neuen 40. Zum Glück. Ein Plädoyer für mehr Halbzeit-Jubel

Diesen Text hat Bettina Billerbeck für „Le Bulletin“ geschrieben, den Newsletter der Zeitschrift MADAME. Im Zuge eines Texttausches freuen wir uns, ihn hier veröffentlichen zu können, während unser Text „Aufhebung der Kampfzone“ über die Solidarität von Frauen 47+ in „Le Bulletin“ erscheint.

Lieber eine Currywurst einverleiben, als einen Tulpenstrauß umarmen: Bettina Billerbeck
Foto: ©David Maupilé


Nein, 50 sind nicht die neuen 40. Zum Glück. 
Unfassbar, dass ich vor ein paar Tagen 50 geworden bin, ich wurde doch kürzlich erst 40. Die zehn Jahre dazwischen sind im Zeitraffer vergangen, die letzten zwei sind mir geradezu durchgerutscht. Ich hatte auch immer gedacht, mit 50 würde ich mich alt fühlen. Ist aber nicht so. Ich sehe „50 werden“ viel entspannter als „40 werden“ damals (vor gefühlten drei Monaten). Mittlerweile kann mich viel weniger erschüttern. Weder ein Rückschlag im Job, noch eine Zurückweisung oder der Anblick meiner nackten Beine im Ganzkörperspiegel mit Licht von oben. Punktuelle Selbstzweifel habe ich natürlich immer mal, und mir gefällt wahrlich nicht alles an mir, aber ich stelle mich selbst und meine Lebensentscheidungen nicht mehr in Frage. Das war mit 40 noch anders.  
 
Ich frage mich heute zum Beispiel nicht mehr, ob ich Kinder hätte haben sollen. Ich habe auch schon lange aufgehört, mein Leben mit dem anderer Frauen zu vergleichen. Wie sich Neid anfühlt, habe ich vergessen. Mir ist jetzt klar, dass Schulfreundinnen, die 20 Jahre lang unterschiedliche Routen durchs Leben genommen haben, mit 50 wieder zusammenfinden können. Man belügt sich mit 50 nur noch sehr selten selbst und zieht nicht mehr in Betracht, der Karriere zuliebe seine Persönlichkeit zu verändern. Ich arbeite mich auch nicht mehr an anderen Menschen ab. Mit jedem Lebensjahr wächst die innere Unabhängigkeit. In meiner Heimat, dem Bergischen Land, würde man etwas robust von „Verarschungsresistenz“ sprechen, mit der einem das mittlere Alter großzügig beschenkt. Alles gute Gründe für Champagner, wie ich finde.

Das Verhältnis zu Mode und Schönheit ändert sich auch. Man kann sich zurücklehnen und Mode mit großer Freude als Kulturgut und Inspiration betrachten, muss aber nicht mehr jeden Trend mitmachen. Ich weiß sehr wohl, dass meine butterweichen Skinny Jeans nicht mehr angesagt sind, trage sie aber weiter. Das Wort „Bikini-Body“ triggert mich nicht mehr, und wer was isst (oder nicht mehr isst) oder „was machen lässt“, interessiert mich mit jedem Jahr weniger. Die neue innere Großzügigkeit lässt man eben auch gegenüber anderen walten. Ich fange übrigens auch nicht an, mein Gesicht kardashianesk mit diversen Brauntönen zu konturieren (Himmel, hilf!), ich trage ohnehin deutlich weniger Make-up als früher, aber dafür besseres. Überhaupt: Man kauft weniger, aber besser, hochwertiger und damit nachhaltiger. Wir gönnen uns gern schöne und besondere Dinge in unserem Alter, aber Shopping ist kein Hobby mehr. Und wenn, kauft man was für die Wohnung. Oder Schmuck, einfach mal für sich selbst. 

Ist also mit 50 alles golden? Das nun auch nicht. 50-Jährige reden sorgenvoller über den Gesundheitszustand ihrer Eltern als über die schulischen Leistungen ihrer Kinder. Der Begriff der „präsenilen Bettflucht“ ist auch kein Hirngespinst, wer schläft heute eigentlich noch gut und lange? Nur eine Minderheit segelt easybreezy durch die Wechseljahre. Aber das Gute ist: Mit 50 weiß man sich zu helfen. Der Körper sagt einem schon, was er braucht, sei es Ingwertee, Progesteron oder Currywurst mit Pommes. Man weiß in unserem Alter, was – und wer – uns guttut. 

Wenn ich einen Wunsch frei hätte zum 50sten: Dass Frauen in unserem Alter viel sichtbarer werden und die Lebensmitte als Aufbruch gefeiert wird. Dass das mittlere Alter im wahrsten Sinne des Wortes auffindbar ist – auf Social Media, in Film- und Fernsehproduktionen und in Bilddatenbanken. Für diesen Newsletter hatten wir ein Symbolfoto für “Frau/50/Geburtstag“ gesucht. Die Ergebnisse: weißhaarige Großmutter mit Sonnenbrille und Motorrad-Lederkluft oder eine Art „Jacob‘s-Krönung“-Werbefigur, einen Tulpenstrauß umarmend. Sonst nichts. Im Angebot waren nur Frauen bis 35 und Frauen ab 60. Am Ende wurde es ein Foto von mir, aber ich kann doch nicht die Einzige sein, die mit 50 nicht von der Bildfläche verschwindet.

Close