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Palais F*luxx

Online-Magazin für Rausch, Revolte, Wechseljahre

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Auch das noch, Haarausfall!



Die Menopause hält Überraschendes bereit und der Körper veranstaltet eigenartige Dinge.
Gut, wenn unsere Wechseljahrsexpertin Britta Scholten mal einen Blick drauf wirft.

Claudia, 52, ist frustriert: „Rapunzel, lass dein Haar herunter – das war einmal! Jetzt heißt es: Rapunzel fällt ihr Haar herunter. Auf die Schultern und den Boden. In meiner Bürste sammelt sich innerhalb von drei Tagen das Rohmaterial für eine Luxus-Echthaarperücke und auf dem Kopf entwickelt sich mein Scheitel zur planierten Startbahn für Vögel.“

Bin ich krank oder sind das die Wechseljahre?

Haare wachsen in mehreren Phasen. In der sogenannten Wachstumsphase werden die Haare jeden Monat ca. einen Zentimeter länger. Auf unserem Kopf befinden sich ungefähr 85 Prozent unserer Haare jeweils in dieser Phase. Nach zwei bis sechs Jahren sind dann die Grenzen des Wachstums erreicht und das Haar tritt in die Übergangsphase ein, die ca. zwei Wochen dauert. Die Haarwurzel wird nun vom Nährstoffnachschub abgeschnitten und sitzt auf dem Trockenen. Zuletzt geht die Haarwurzel in die dreimonatige Ruhephase. Nun wird der Stoffwechsel komplett eingestellt. Das Haar verkümmert und wird am Ende von einem neu nachwachsenden Haar herausgeschubst. 

Jeden Tag verabschieden sich etwa hundert Haare in den Ruhestand. Das ist normal und kein Grund zur Beunruhigung. Manchmal finden sich allerdings mehr Haare in der Bürste oder im Waschbecken als üblich. Auch das kann noch normal sein, denn die Haarruheständler fallen nicht sofort mit Rentenbeginn aus. Sie bleiben zunächst noch locker in der Haarwurzel verankert. Erst bei der nächsten mechanischen Belastung, z. B. bei der nächsten Haarwäsche, verabschieden sie sich dann endgültig.

Viele Ausfallgründe

Haarausfall ist in der Regel keine Krankheit an sich, sondern ein Symptom und kann viele Ursachen haben. Einige davon sind tatsächlich Anzeichen für eine Krankheit. Wie bei vielen anderen Symptomen der Wechseljahre kann auch beim Haarausfall die Schilddrüse eine Rolle spielen, sowohl in der Unter- als auch der Überfunktion. Eisenmangel ist ein weiterer häufiger Grund für Haarausfall. Auch Stress oder einige Medikamente können – vorübergehend oder dauerhaft – das Haarwachstum durcheinanderbringen. Ein bekanntes Beispiel dafür ist die Chemotherapie.

Seit einiger Zeit beobachten Mediziner:innen, dass Haare auch als Nachwirkung von Corona (oder auch anderen schweren Infekten) ausfallen. Das passiert erst bis zu sechs Monate nach der Erkrankung, sodass der Zusammenhang vielen gar nicht mehr auffällt. Eine genaue Untersuchung der Gründe für den Haarausfall sollte daher am Anfang der Behandlung stehen. Dermatolog:innen sind dafür die richtigen Ansprechpartner:innen.

Geheimrätinnen haben keine Ecken

In den Wechseljahren kommt es bei ca. 20 bis 30 Prozent der Frauen zu dem erblich bedingten Haarausfall (androgenetische Alopezie). Durch den sinkenden Östrogenspiegel ermuntert, nimmt sich das Testosteron mehr Platz auf dem Hormonspielplatz. Gut für das Selbstbewusstsein, schlecht für die Haare: Aus dem Testosteron wird der Botenstoff DHT (Dihydrotestosteron) gebildet, der leider die Haarwurzeln ausknockt und so den Wachstumszyklus der Haare frühzeitig enden lässt. Genau wie bei den Männern sind die Gene hier unterschiedlich verteilt: Während die einen noch im hohen Alter mit vollem Schopf punkten können, sind andere bereits früh vom Haarausfall betroffen. Ihr Körper bildet entweder besonders viel von dem Botenstoff DHT oder die Haarwurzeln reagieren besonders sensibel. Männer bekommen dann Geheimratsecken, bei Frauen fallen die Haare eher am Scheitel aus und lassen die Kopfhaut immer stärker durchscheinen.

Was kann ich tun?

Grundsätzlich muss man wissen: Ein Ruheständlerhaar kann nicht wieder in die Wachstumsphase eintreten und Haarwurzeln, die bereits abgestorben sind, können nicht wiederbelebt werden. Egal, was die Werbung verspricht (der NDR brachte in der Sendung Visite Anfang 2022 dazu einen interessanten Beitrag). Und sind nicht die Hormone für den Haarausfall verantwortlich, helfen auch keine Hormonpräparate. Eine genaue Untersuchung in der dermatologischen Praxis ist daher sinnvoll, bevor man viel Geld für angebliche Wundermittel ausgibt.

Haarausfall wird häufig durch Stoffwechselstörungen bzw. die Unterversorgung mit Mineralstoffen, Vitaminen und Spurenelementen verursacht. Es lohnt sich daher, sich auf eventuelle Mangelversorgung untersuchen zu lassen, gerade bei einseitigen Diäten oder starkem Stress. Insbesondere Frauen mit starken Blutungen sollten einen eventuellen Eisenmangel ausschließen lassen.

Das ziept!

Als Kinder haben wir es gehasst, wenn die Eltern Kamm oder Bürste so energisch einsetzten, dass es „ziepte“. Das können wir uns wieder in Erinnerung rufen: Alles, was unsere Haare mechanisch belastet, sollten wir vermeiden. Also: Den Dutt nicht zu straff binden. Gerade bei nassen Haaren auf jegliches Zerren verzichten. Nicht heiß föhnen. Nicht ständig Mützen oder Hüte tragen. Oder – mein Liebling – die Lesebrille nicht auf den Kopf setzen. Zu groß ist die Gefahr, dass sich Haare im Scharnier verklemmen und dann rausgerissen werden – ich weiß, wovon ich spreche.

Aus dem Medizin- oder Küchenschrank

Manche Medikamente haben interessante Karrieren. Viagra war eigentlich als Blutdrucksenker entwickelt worden und erwies sich in anderen Bereichen als sehr wirksam. Auch Minoxidil sollte gegen Bluthochdruck eingesetzt werden und ist inzwischen stärker für die Behandlung von erblich bedingtem Haarausfall bekannt. Es regt offensichtlich die Blut- und Nährstoffversorgung wieder an und kann als Lösung oder Schaum verwendet werden. Bei der Behandlung mit diesem Mittel sollte man auf den „paradoxen Ausfall“ vorbereitet sein: Statt sich gleich über die dicke Wallemähne freuen zu können, kann es zunächst zu verstärktem Haarausfall kommen. Das ist aber ein gutes Zeichen, denn dann scheint das Minoxidil zu wirken. Sind nach vier bis sechs Monaten keine Erfolge zu sehen, wird es wahrscheinlich für viele Haarwurzeln zu spät sein. Ein frühzeitiger Beginn der Behandlung ist daher wichtig, genau wie die konsequente Dauerbehandlung.

Frauen, die mehr auf natürliche Mittel Wert legen, können im Küchenschrank nach Hirse suchen. Sie enthält viel Kieselsäure, die die Haarstruktur fördert. Auch im Teeregal gibt es dafür einen guten Lieferanten: das Zinnkraut, auch als Ackerschachtelhalm bekannt. 

Ein Geheimtipp landet sonst eher in Currymischungen: Bockshornkleesamen sollen förderlich für den Haarwuchs sein. Es gibt sie als Tabletten, aber natürlich auch im Gewürzregal im Supermarkt – dort wahrscheinlich kostengünstiger. Mit Öl oder Wasser zu einem Brei vermischt und 20 bis 30 Minuten aufgetragen, sollen sie gut wirken – man muss sich nur mit dem Currygeruch anfreunden können.

So wird es vielleicht doch wieder etwas mit dem Rapunzeltrick.

Was bitte ist Androgenetische Alopezie? Hier erfahrt Ihr es!

Und was Minoxidil?

Den TV-Beitrag in „Visite“ seht Ihr hier

Was es mit Bockshornklee auf sich hat, lest Ihr hier

Und wie Corona und Haarausfall zusammenhängen können, gibt es hier zu erfahren

Britta Scholten ist ausgebildete Wechseljahrsberaterin, aber keine Medizinerin. Bei Unsicherheiten, starken oder langanhaltenden Beschwerden unbedingt eine Ärztin oder einen Arzt aufsuchen.

Illustration: Brigitta Jahn

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