Einmal im Monat veröffentlichen wir ein Gedicht der Lyrikerin Julia Mantel. In den Versen der Frankfurterin geht es um Frauen, ums Fühlen und um die Fallen des Lebens. Wir lieben die Kraft und Zartheit, die Julia Mantel mit ihren Werken versprüht und die sie einzigartig machen
Autobiographie einer Bisswunde
Es ist allgemein bekannt:
Hollywoods Bewohner
& Bewohnerinnen
wollen in den meisten Fällen
zu einer bestimmten
Clique gehören.
Verzweifelt sitzen
diese Sehnsüchtigen
bei ihren Therapierenden
und zahlen viele Dollars.
Nur selten werden
ihre Gebete erhört.
In meinem Heimatort
wollten auch immer alle
zu einer bestimmten
Clique gehören.
Diese Clique führte
jeden Abend gemeinsam
ihre Hunde aus.
Regelmäßig hörte ich ihr Bellen.
»Hunde, die bellen, beißen nicht«,
heißt es immer.
Ich bin eigentlich gerne alleine.
Da kann ich besser nachdenken.
Doch komisch:
Noch heute wache ich
nach jedem Albtraum auf
und die Bisswunde
an meiner Schulter
hört nicht auf zu bluten.
Julia Mantel, 1974, lebt als Lyrikerin, Strickkünstlerin & Allroundjobberin in Frankfurt am Main. Sie studierte Angewandte Kulturwissenschaften in Lüneburg und konzentriert sich seit dem Jahr 2000 auf Lyrik. 2005 gründete sie das Konzeptlabel Unvermittelbar, darüber hinaus ist sie Gründungsmitglied des Frankfurter Lyrikkollektivs „Salon Fluchtentier“. Julia Mantel ist Vize-Vorsitzende des Hessischen Schriftstellerverbands (VS).
Ihre Gedichte sind in folgenden Lyrikbänden erschienen: new poems (2008), dreh mich nicht um (2011), Der Bäcker gibt mir das Brot auch so (2018), Wenn du eigentlich denkst, die Karibik steht Dir zu (2021), Autobiographie einer Bisswunde (2024). Dazu schreibt der Schriftsteller Gerrit Wustmann: „Zwölf Gedichte nur, aber jedes einzelne haut rein. Irgendwie schafft es Julia, kleine, fiese, pointierte Kurzgeschichten in Gedichtform zu schreiben, in denen oft Alltägliches ins Surreale kippt, oder in ein Augenzwinkern oder eine Verzweiflung an der Welt.“