Offene Beziehungen?
Wie offen bist Du?
Mit der romantischen Liebe ist das so eine Sache. Einerseits schwirren die Schmetterlinge und großen Gefühle im Bauch herum. Andererseits ist diese Liebe oft mit Besitzansprüchen verbunden. In der Praxis bedeutet das, es gibt ein – oft unausgesprochenes – Einvernehmen, sich monogam zu verhalten. Am Anfang einer Beziehung ist das auch gar kein Thema. Die Lust aufeinander ist groß. Wir wissen ja, dass dies ein cleverer Schachzug der Natur ist, um eigentlich Nachkommen zu produzieren. Aber sei’s drum.
Die ersten Monate, mit Glück Jahre, fällt es also gar nicht schwer, sich sexuell auf eine Person zu konzentrieren. Doch irgendwann schleicht sich der Alltag ein. Das Begehren lässt nach. Die Routine regiert im Bett. Es folgt die große Langeweile. Jahrzehntelang haben Menschen sich ihr Hirn zermartert, wieso die Lust schwindet. Inzwischen weiß man durch Studien, dass gerade Frauen sich mit nur einem Partner oder einer Partnerin in einer festen Beziehung besonders schnell langweilen. Sie wollen einfach Abwechslung. Fremde Haut und fremde Küsse, ohne gleich ihre Beziehung aufzugeben.
Varianten offener Beziehungen
Nichts einfacher als das, würde jetzt eine meiner Freundinnen sagen, die seit Jahren in einer offenen Beziehung lebt. Zwar ist sie fest mit einem Partner verbandelt, aber beide sehen zusammen und getrennt auch andere Menschen, mit denen sie ins Bett gehen. Beide wissen auch meist, mit wem sich der bzw. die andere trifft. Alles ist offen und transparent. Ein Konzept, das nicht für alle funktioniert. Denn sollte nur ein Funken Eifersucht auftauchen, brennt die Beziehung lichterloh.
Für Paare, die dennoch ihre Beziehung öffnen möchten, um letztlich zusammenzubleiben und sich nicht wegen vermeintlicher Untreue zu trennen, gibt es auch noch andere Wege. So könnte man beispielsweise ein Einvernehmen miteinander treffen, dass jede*r auch mit anderen Personen sexuelle Beziehungen haben darf, ohne dass jedoch genau gesagt wird, wann, wo und mit wem das Ganze stattfindet. Es bleibt ein Geheimnis und sorgt dafür, dass beim anderen nicht ein sorgenvolles Kopfkino losgeht. Ich kenne Paare, die mit diesem Modell seit Jahren gut fahren und glücklich und stabil zusammenbleiben. Und auch wieder mehr Sex miteinander haben als vor der Öffnung der Beziehung.
Wer schon etwas erfahrener ist oder nicht unter Eifersucht leidet, kann eine weitere Ebene der Kommunikation einziehen. Dem oder der Partner:in wird dann etwa schon mitgeteilt, wann man sich mit jemandem trifft, aber nicht, wer die Person ist. Ich kenne Konstellationen, wo beide parallel zur selben Zeit ihre Lust mit jemand anderem ausleben. So hat niemand das Gefühl, öde zu Hause zu hocken, während der oder die Partner:in sich austobt.
In hedonistischen Clubs habe ich auch viele Paare getroffen, die ausschließlich miteinander unterwegs sind und sich entsprechend nur als Paar mit anderen vergnügen. Allerdings ist hier entscheidend, sich bewusst zu entscheiden, was beide erleben möchten. Denn mitunter hatte ich den Eindruck, dass häufiger die Frauen eher die Wünsche der Männer bedient haben als ihre eigenen. Das sollte natürlich auf keinen Fall so sein.
Tabus beachten
Egal wie man es angeht: Ein paar Dinge sollten tabu sein, weil sie aus Erfahrung eine offene Beziehung in die Krise stürzen können. So sollte man nicht über das Erlebte reden, Vergleiche ziehen oder gar von Qualitäten schwärmen, die man sich vom eigenen Partner wünscht, aber nur mit anderen erlebt. Was außerhalb der Beziehung passiert, sollte dort auch bleiben. Ganz heikel wird es auch, wenn Freund:innen Teil des Arrangements werden. Das führt fast immer zu Eifersucht, Auseinandersetzungen und meist auch zu Trennungen. Im schlimmsten Fall von beiden betroffenen Paaren. Egal wie heiß man jemanden im Freundeskreis findet, Finger weg.
Schade ist, dass offene Beziehungen noch immer einen schlechten Ruf haben. Als würden Menschen, die diese Beziehungsform leben, ein Lotterleben führen. Vielmehr ist es eine erwachsene Form mit schwindender Begierde umzugehen, was in langen Beziehungen ganz natürlich ist. „Fremdgehen“ ist in Deutschland der zweithäufigste Trennungsgrund. Wegen dem immer noch geltenden Monogamie-Diktat gehen oft Beziehungen, die an sich durchaus glücklich sind, auseinander. Familien werden auseinandergerissen. Müsste alles nicht sein, wenn wir uns von Besitzansprüchen an eine Person verabschieden und uns für neue Beziehungskonstellationen öffnen würden.
Suzette Oh ist im besten Alter, um die richtige in Theorie und Praxis erfahrene Sexpertin für uns zu sein. Tatsächlich hört sie außerhalb der gedämmten Wände auf einen anderen Namen, möchte aber auch weiterhin die Bestellung für ihre Schwarzwälderkirschtorte zum Geburtstag aufgeben, ohne dass die Verkäuferin kreischt: „Ich kenn Sie! Sie sind die tolle Sex-Kolumnistin!“
Wer jetzt schnell mehr von ihr lesen möchte, klickt auf die Links. Suzette Oh hat nämlich bereits aussagekräftige Bücher veröffentlicht, als da wären ihr „Pussy Diary“ und ihre erotische Phantasien in Bezug auf das Erben eines Hauses. Bzw. ein Hotel der Lust.
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