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Palais F*luxx

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An oder Aus?

„The Art of Love“ ist eine britische Komödie mit einer Protagonistin 47 plus! Das allein macht den Film schon sehenswert, zudem ist die Geschichte im Erotikbusiness angesiedelt und so wird es zu einem Kinofilm, der den Fluxxtest besteht und unsere Positivliste bereichert. Simone Glöckler war zufällig im Kino.

Heißes Sextoy oder nur heiße Luft? Eva Parker knipst ihre Fantasie an und findet die richtigen Worte für das Ding.
Foto: ©Kino Film Text/Philippe Weibel

Worum geht es?
Eva ist Mitte 50, arbeitet bei den Londoner Verkehrsbetrieben und ihr großes Ziel ist, ihre Ehe zu retten. Dies, meint sie, sei mit einer Reise getan und hat dafür einen Nebenjob angenommen, von dem ihr Gatte nichts ahnt: Sie schreibt Bewertungen für Sexspielzeug der Firma „The Art of Love“. Sie wird dank ihrer exzellent geschriebenen Texte ausgewählt, mit dem 34-jährigen SexToy-Influencer Adam gemeinsam ein neues, wohl bahnbrechendes Sexspielzeug zu testen und vor allem zu betexten. Das ist nicht nur eine Herausforderung für diese wahrlich unterschiedlichen Charaktere, sondern birgt auch einige Hürden, die beide überwinden müssen, denn den Auftrag abzulehnen steht nicht nur Debatte.

Warum sollte ich diesen Film schauen?
Ich gestehe, ich habe mir die britische Komödie nicht „freiwillig“ angeguckt. Im Rahmen der wöchentlichen stattfindenden Sneak-Preview* im Hamburger Studio-Kino erwischte ich diesen unterhaltsamen Film. Und da ich dazu neige, im Kino eher bildgewaltige und abenteuerliche Streifen zu konsumieren, wäre „The Art of Love“ nicht meine Wahl gewesen.

Es wäre schade gewesen. Habe ich doch einen #Sichtbarkeit47+-Film erwischt: Eva ist 55 Jahre alt, kleidet sich unscheinbar und nimmt das Zusammenleben mit ihrem Mann als gegeben hin. Statt sich zu fragen, was sie vom Leben möchte, stellt sie diese Frage für beide. Und denkt, eine gemeinsame Reise brächte Abwechslung und damit auch Schwung in die eingeschlafene Beziehung. Das Ausleben Ihrer erotischen Fantasie beschränkt sich auf das Texten der Bewertungen und auf die Vorstellung von einer wiederbelebten Ehe.

Was hat das mit mir zu tun?
Es ist Eva und ihr Leben, das dem unsrigen gleicht: ihr nicht erfüllender Job, eine Ehe, die nach Jahren ohne Prickeln vor sich hindümpelt. Eine Frau, Mitte 50, die ihre Sehnsüchte durch den Tag und die Nächte schleppt. Und die dank unbeabsichtigter und schließlich freundschaftlicher Hilfe von außen ins Innen schaut, und Mut fasst. Und sich eingesteht, dass 55 noch längst nicht das Ende der Freudenstange sein muss.

Im Laufe des kurzweiligen Films wird Eva selbstbewusster – vor allem im Umgang mit dem Mann, der kaum, dass er vor der Glotze sitzt, einschläft. So entdeckt sie sich und ihre gut verbuddelten Sehnsüchte. Hier ist die Leistung der Schauspielerin Alexandra Gilbreath, von der ich vor diesem Film noch nie was gehört habe, hervorzuheben. Dank ihres Spiels rutscht Evas Metarmorphose niemals ins Kitschige.

Da wird Sünde ganz neu definiert: Adam und Eva im Sexspielzeugparadies
Foto: ©Kino Film Text/Philippe Weibel

Außerdem:
Fast hätte sich der Satz: „Nicht, dass der von Philipe Weibel inszenierte Spielfilm ein Meisterwerk wäre, …“ eingeschlichen. Doch warum muss ich einen charmanten, wenn auch etwas flachen Film abwerten? Gibt es nicht auch genügend Filme, mit älteren Männern und jungen Frauen, die unterhaltsam, aber flach sind und von vielen gesehen und gar gefeiert werden? Müssen diese so von uns herbeigesehnten Geschichten immer klug, geistreich, gern spannend oder geheimnisvoll sein. Mit einem Plot, der uns in Jubelgeschrei ausbrechen lässt?

Es ist das jahrelange Aushalten der Komödien von Männern mit Männern. Wenn diese Filme flach oder oberflächlich sind, ist es okay. Ist halt ein Till oder Matthias oder Simon-Film, was soll’s. Doch kaum gucke ich eine Komödie mit Frau 47+, muss sie anderen Ansprüchen genügen. Auf keinen Fall darf sie flach sein oder vorhersehbar oder zu… was weiß ich, damit ich sie des Besprechens wert finde.

Was mich ebenfalls bewegt hat, doch darüber zu schreiben, sind die Kommentare der jungen Menschen, die mit mir im Kino saßen. Eine Sneak-Preview ist, dank des günstigen Eintrittspreises, beliebt bei den unter-30-Jährigen. Ich war zwar die Älteste im Saal, habe jedoch nicht als einzige diesen grinsend verlassen.

Auf Nachfrage bei einem Mitt-Zwanziger antwortete dieser: „Ach, der Film war total süß und ich habe mich prima unterhalten“. Na also! Da behaupte noch jemand, wie etliche Fernsehsender es tun, niemand wolle Geschichten mit „alten Frauen“ sehen.

Liebe für die Hauptdarstellerin und Lob für die Geschichte – und das von einem jungen Publikum.
Die Kommentare wurden uns freundlicherweise vom Studio-Kino überlassen, danke dafür!

Fazit:
Ein schönes Beispiel, dass es sie gibt, die Geschichten von Frauen über 47, die weder langweilen noch lustlos sind. Die, die weiblichen Altersklischees zwar überzeichnen, aber nicht übertreiben und die Erotikbranche nicht nur der Jugend vorbehalten sein muss. Die, die Zuschauer*innen gut unterhalten, auch zum Lachen bringen und danach vielleicht anregen, über Freundschaft, Familie und Liebesroboter nachzudenken.

Besprechung: Simone Glöckler

*Sneak-Preview: Eine Vorstellung mit vergünstigtem Ticketpreis, bei dem niemand der Zuschauenden weiß, welcher Film läuft. In meinem Lieblingskino gibt es dazu eine kleine Tüte Popcorn und einen Bewertungszettel, den die Besucher*innen danach ausfüllen und mit Kommentaren versehen.

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