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Palais F*luxx

Online-Magazin für Rausch, Revolte, Wechseljahre

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Suite Suzette

Lustvoll reden

Suzette Oh – unsere Kolumnistin weiß, was sie möchte. Jeden zweiten Donnerstag besuchen wir sie in ihrem Boudoir und lauschen ihrem Bettgeflüster

Neulich las ich in einer großen Frauenzeitung einen Beitrag darüber, wie man durch Dirty Talk das Sexleben wieder anheizen könnte. Generell ein gutes Thema. Die Tipps lasen sich dann allerdings wie aus einem verschämten Aufklärungsbuch aus dem 19. Jahrhundert. So verriet etwa eine Autorin, die sich vorher vehement gegen deftige Wortwahl ausgesprochen hatte, ihren Lieblingsbegriff für das weibliche Geschlecht: „pulsierende Lust zwischen meinen Beinen“. Ich stellte mir danach sofort vor, wie mein Lover zwischen meinen Beinen hängt und ich ihn anfeuere: „Bring meine Lust zwischen den Beinen zum Pulsieren.“ Ich brach in lautes Lachen aus, als ich mir das selbst vorsagte und weiß, der Mann würde sich auch vor Erheiterung eher verschlucken, anstatt irgendwas zum Pulsieren zu bringen. Ich wäre ehrlicherweise dann doch für eine deutlich andere Wortwahl.

Ok, natürlich soll und darf jede Frau sich selbst aussuchen, welche Worte sie nutzt. Aber „Dirty Talk“ heißt nicht umsonst „dirty“. „Dreckig“. Es macht in der Regel eher an, sich sprichwörtlich aus seiner Komfortzone zu bewegen, als neutrale Begriffe beim Sex zu nutzen. Und ich finde es einschränkend und überholt, wenn man mir einreden will, dass Begriffe wie „Möse“ (Lieblingswort einer Freundin für ihr Geschlecht) oder „Muschi“ (mein Lieblingswort) aus der Pornowelt stammen und nur dort hingehören. Nix da. Nur weil eine gewisse Sprache in Pornos benutzt wird, muss sie nicht falsch sein. Im Gegenteil. Ich habe sehr früh angefangen, Begriffe für mich zu kapern und in meiner Weise zu nutzen. Porno hin oder her. Mich macht es eben mehr an, wenn mein Partner im Eifer des Gefechts „Miststück“ zu mir sagt anstatt „Schatz“ oder „Süße“. Wer was anderes mag, auch gut. Hauptsache, es ist Deins!

Erotisches Vokabular ist so frei wie Du selbst

Frauen sollen endlich so frei sein, alle Worte dieser Welt beim Sex für sich umzudeuten und zu ihrer eigenen Luststeigerung zu nutzen. Solange jedoch in Frauenzeitungen, die sich für modern halten, eine Bewertung von Begrifflichkeiten vorgenommen wird, dürfte es noch lange dauern, bis sich Frauen beim Sex auch sprachlich endlich befreien. Dabei fällt es ohnehin vielen Frauen schwer, über ihre Wünsche beim Sex zu reden. Da brauchen sie nicht noch Vorgaben, was quasi gesellschaftlich erwünscht ist und was nicht – nämlich angebliche Pornosprache.

Ich werde öfter mal gefragt, wie man den eigenen Wortschatz für Erotik findet. Es dürfte nur über ausprobieren gehen. Und zwar einfach mal die ganze Klaviatur an Optionen durchprobieren – von soft bis dirty. Nehmt doch mal ein Wort wie „Muschi“ wirklich in den Mund und jongliert damit, als hättet Ihr ein leckeres Stück Schokolade im Mund. Wie fühlt sich das im Inneren an? Das Gleiche könnt Ihr dann mit anderen Begriffen machen. Auch laut aussprechen hilft. Manchmal funktionieren bestimmte Begriffe beim Schreiben von heißen SMS besser als beim Telefonat. Meist traut man sich in Schriftsprache – zunächst – eher Hardcore auszuloten. Den erotischen Sprachraum kann man sich also prima Schritt für Schritt erobern. Fühlen, schreiben, reden.

Bei Lesungen erlebe ich häufiger, dass es für einige Frauen sehr ungewohnt ist, explizite Sprache im Beisein von anderen zu hören. Bei der letzten Lesung vor Corona kaufte eine Frau gleich beide meiner Bücher. Fast zwei Jahre später schrieb sie mir eine Mail. Damals war sie noch mit ihrem Mann verheiratet, der Sex war eingeschlafen, sie fühlte aber Aufbruch in sich. So trennte sie sich nach 30 Jahren Ehe und meldete sich bei Tinder an. In gewisser Weise hatten meine Bücher ihre Sehnsüchte befeuert. Inzwischen ist sie mit einem 25 Jahre jüngeren Partner zusammen. „Früher hätte ich solche Worte wie Schwanz niemals ausgesprochen. Mittlerweile habe ich richtig Spaß daran, so richtig derbe zu reden“, schrieb sie mir. Ihr gefällt‘s, ihm gefällt‘s. Und mich freut es, wenn sich wieder eine Frau aus dem engen Korsett erotischer Sprache befreit hat. Ich fürchte, wir Frauen sind da noch immer ziemlich am Anfang.


Suzette Oh ist im besten Alter, um die richtige in Theorie und Praxis erfahrene Sexpertin für uns zu sein. Tatsächlich hört sie außerhalb der gedämmten Wände auf einen anderen Namen, möchte aber auch weiterhin die Bestellung für ihre Schwarzwälderkirschtorte zum Geburtstag aufgeben, ohne dass die Verkäuferin kreischt: „Ich kenn Sie! Sie sind die tolle Sex-Kolumnistin!“
Wer jetzt schnell mehr von ihr lesen möchte, klickt auf die Links. Suzette Oh hat nämlich bereits aussagekräftige Bücher veröffentlicht, als da wären ihr „Pussy Diary“ und ihre erotische Phantasien in Bezug auf das Erben eines Hauses. Bzw. ein Hotel der Lust.
Suzette Oh auf Instagram

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