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Palais F*luxx

Online-Magazin für Rausch, Revolte, Wechseljahre

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Mensch, Mama … du nervst!

Gesundheitsministerin in spe

Die Mutter unserer Kolumnistin weiß, dass sie es besser kann als der amtierende Gesundheitsminister

Meine Mama hat ein neues Lieblingsthema: Karl Lauterbach und „seine unsägliche Gesundheitspolitik“. Letzte Woche war sie extrem maulig, weil das Pflegeheim schon wieder die Kosten erhöht hat. „Die spinnen. Wer soll das noch bezahlen? Und überhaupt, die Pflegekasse soll auch pleite sein, die Medikamente werden immer teurer und die Krankenkasse zahlt immer weniger. Und das Personal in Pflegeheimen fehlt an allen Ecken“, echauffiert sie sich in epischer Breite in unserem Telefonat. Natürlich kann ich ihre Sorge verstehen. Aber meine Mutter wäre nicht meine Mutter, wenn sie nicht den Schuldigen ausgemacht hätte. Es ist Gesundheitsminister Karl Lauterbach.

„Der hat überhaupt keine Ahnung, was bei uns alten Leuten los ist. Und wie man so ein Ministerium führt. Ich hätte da so viele Ideen.“ Nun, da die große Koalition ohnehin aus dem letzten Loch pfeift, könnte man ja nochmal die Spitze am Gesundheitsministerium austauschen. Meine Mama ist jedenfalls top-motiviert und hat mit 94 ganz viel (Lebens-)Erfahrung.

„Als erstes würde ich die Flüchtlinge einsetzen, um in den Pflegeheimen zu arbeiten. Um Bettwäsche zu wechseln, bettlägerigen Menschen das Essen zu bringen, mit uns zu singen oder mir eine Wärmflasche zu machen, braucht es kein Diplom, sondern gesunden Menschenverstand.“ Pah! So würden – meint meine Mutter – die Menschen aus anderen Kulturen auch viel besser bei uns integriert und man könne jede Menge Steuergelder sparen.

„Als zweites würde ich die Kosten für alte Leute begrenzen. Wir haben unser ganzes Leben gearbeitet, ich habe den Krieg erlebt und jetzt muss ich Angst haben, dass das Geld von unserem verkauften Haus nicht reicht.“ Ich fürchte um den Blutdruck meiner Mutter, so sehr regt sie dieses Thema auf. Nach ihrer Ansicht dürfen Betreiber:innen von Pflegeheimen sich nicht mehr „die Taschen vollmachen. In Würde sein Alter zu verbringen, ist ein Menschenrecht.“ Für alles sei Geld da, nur nicht für Kranke und Alte, schimpft sie weiter.  

Neulich hat sie gelesen, wie teuer der Neubau der Köhlbrandbrücke in Hamburg werden soll: über fünf Milliarden Euro. „Bei denen piept’s ja wohl, hängen die da Diamanten dran?“ Meine Mutter ist so richtig in Fahrt. „Und für die Verbrennung von abgelaufenen Corona-Masken gibt die Regierung auch Millionen aus. Geld, das uns fehlt. Und der Lauterbach zupft nur an seiner blöden Fliege, anstatt was zu ändern.“ Meine Mutter ist nicht zu stoppen.

Ihre Nachbarin im Heim ist Diabetikerin. Sie war das nicht immer. Aber da ihre Krankenkasse nicht entsprechende Medikamente zahlen wollte, die sie sich selbst nicht leisten konnte, rutschte sie in die chronische Krankheit. Jetzt müssen die Pfleger:innen ihr jeden Tag Insulin spritzen. „Das ist so ein Quatsch! Anstatt vorher was zu machen, ist sie jetzt krank und die Spritzen teurer als das Medikament, das sie gebraucht hätte“, beklagt meine Mama nicht zu Unrecht. Zwei Tage später sprechen wir wieder miteinander. Sie wartet auf Geld der Beihilfe. Telefonisch ist kein Durchkommen. „Unverschämtheit, die gehören alle entlassen“, regt sich meine Mutter wieder auf. „Wenn das nicht bald besser wird, fahre ich persönlich nach Berlin und mische den unfähigen Haufen mal auf.“ Dann knallt sie den Hörer auf. Karl Lauterbach sollte sich schon mal warm anziehen.

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Ingeborg Trampe
Die Fachfrau für PR ist durch ihre Arbeit rund um Hamburgs Kunst, Kultur und Genüsslichkeiten immer eine gute Adresse auf die Frage, where to go. Alle 14 Tage beschreibt sie für uns „what to avoid“, was es zu meiden gilt. Ihre Mutter.

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