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Lesen oder lassen?

Buchbesprechung „Dating-Roman“ von Isobel Markus

Die Berliner Autorin Isobel Markus gibt Einblicke in die emotionalen Höhen und Tiefen des Datings, der Suche nach „dem Anderen“ und dem Ich. Sohra Nadjibi hat den Roman gelesen und fand interessante Aspekte, obwohl sie selbst keine Lust aufs Online-Dating hat


Worum geht es?
Der autofiktionale Roman handelt vom digitalen und analogen Kennenlernen im 21. Jahrhundert. In einer Großstadt. In Berlin. Darum wie und wo „man“ sich begegnet. Es geht um Liebe, Freundschaft, Selbstzweifel, Einsamkeit und Sehnsucht. 

Die Ich-Erzählerin Isi und Wiebke, ihre optimistische beste Freundin, sind Mitte 40 und starten eine Dating-Challenge. Dabei setzen sie für eine Woche auf Künstliche Intelligenz. Isi hat keine großen Erwartungen und ist eher skeptisch. Beide gehen auf sieben Dates an sieben Tagen, swipen, schreiben. Und chatten danach zusammen, lassen ihre Erlebnisse Revue passieren und von der jeweilig anderen einschätzen. Und dann passieren noch Dating-Geschichten offline.

Was kann es? 
Isobel Markus erzählt von Dingen, die ihr tatsächlich passiert sind und verwebt sie in ihrem Roman. Gestartet hatte sie mit Facebook-Posts für ihre Freundinnen über Dating-Erfahrungen. Das fand enormen Zuspruch, so dass der Roman folgte, in dem sie skurrile, seltsame, beunruhigende und lustige Geschichten erzählt. Den Begegnungen von Wiebke und Isi in Berlin zu folgen ist ziemlich unterhaltsam. Der Roman ist auch ein Glossar sämtlicher Begriffe und Phänomene im modernen Dating-Kosmos: Benching, Ghosting, Sneating, Haunting, Breadcrumbing und Date-Stalking.

Warum sollte mich das interessieren?
Weil hier Freundschaft gefeiert wird! Und diese Art der Liebe so wertvoll ist! 
Die Dating-Stories sind ganz lustig, aber nicht wirklich hoffnungsvoll. Viel schöner sind die Begegnungen unter den Freund:innen, die alle unterschiedliche Struggles haben, füreinander da sind, miteinander sind. Und immer wieder das Leben feiern. Oder wie Isobel Markus in einem Podcast in den Raum stellte: „ […] sollte man wirklich die eigenen Erwartungen an den Menschen an der Seite stellen, oder sollte man diese besser verteilen auf einen Kreis von Freund:innen?“ Der Roman endet übrigens mit einem Cliffhanger. Der nächste Teil sei in Arbeit, verrät Isobel Markus in dem Podcast.

Was hat das mit mir zu tun?
Eigentlich nichts. Und dann eigentlich doch.
Nichts: Weil ich den Roman lese und dabei das Dating-Verhalten von Großstädter:innen beobachte. Mich amüsiere und das Verhalten einiger Männer ziemlich befremdlich finde. Und eigentlich doch: Weil ich verstehe, dass modernes Dating im 21. Jahrhundert so funktioniert – oder auch nicht. Weil ich selber auf zwei Plattformen ein Profil habe – auch aus Recherchezwecken – und theoretisch weiß, wie das Ganze heute so läuft. Dazu habe ich persönlich keine Lust und staune über Isis und Wiebkes Durchhaltevermögen.

Die Autorin
Isobel Markus ist freie Autorin und lebt in Berlin. Sie schreibt für die Berliner Szenen und weitere Rubriken der taz. Ihre Kurzgeschichten wurden in Literaturzeitschriften und Anthologien veröffentlicht und ins Arabische übersetzt. Bisher erschienen von ihr „Stadt der ausgefallenen Leuchtbuchstaben“ (2021), „Der Satz“ (2022) und „Neues aus der Stadt der ausgefallenen Leuchtbuchstaben“ (2023), alle im Quintus Verlag erschienen. Ihr zweiter Roman „Dating-Roman“ wurde im Juni 2024 vom Verlag mikrotext veröffentlicht . In der Berliner Lettrétage veranstaltet sie die Veranstaltungsreihe „Berliner Salonage“, die vom Berliner Senat gefördert wird.

Kostprobe 
Wiebke sagt, dass sie alles gar nicht mehr so witzig fände und dass sie inzwischen der Meinung sei, dass es sich beim Online-Dating wahrscheinlich um Selbstverletzung handelt. „Interessanterweise“, sagt sie „finde ich immer mehr heraus, dass alle große Sehnsucht haben, wirklich in Kontakt zu treten, the one and only zu finden. Selbst, wenn sie behaupten, dass sie keine Beziehung wollen, ist da eine Hoffnung, die sie sich nur oft nicht eingestehen. Aus Frust und Enttäuschung oder so. Aber eigentlich suchen sie alle nur jemanden für das große Ganze, nur gibt das keiner zu! Ganz schön traurig. Außerdem grenzt sich jeder und jede vom schlimmen Online-Dating ab. Von wegen sie hätte jemand überredet oder sie wüssten auch nicht, was sie hier machten, bla bla. Sie sind natürlich eine Ausnahme und nur durch ein Versehen da, eine seltsame Verquickung seltsamer Umstände und sie suchen die gleiche Ausnahme im anderen. Weil nur die Ausnahme zur eigenen Ausnahme passt, verstehst du? Gleichzeitig merkt jede Person, wie austauschbar sie dort ist. Was für eine ambivalente Erfahrung. Vor allem dann, wenn gar keine wirkliche Kontaktherstellung stattfindet. Viele sind entweder schon zu müde oder zu zerstreut, zu beschäftigt mit dem Angebot, um sich wirklich für jemanden zu interessieren, oder sie wollen sowieso nur von sich selbst reden und werten direkt andere ab, die anders ticken als sie selbst. Das heißt, man hat die Wahl: Entweder man bleibt oberflächlich und unverbindlich oder man lehnt sich zurück und hört jemandem nonstop zu, wie er nur von sich erzählt.

Besprechung: Sohra Nadjibi

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