Close

Palais F*luxx

Online-Magazin für Rausch, Revolte, Wechseljahre

Close

Es befinden sich keine Produkte im Warenkorb.

„The Split–Beziehungsstatus ungeklärt“ – An oder Aus?

Drei gute Gründe, die Serie zu gucken – und drei Haken

Alles im Griff, nur nicht das eigene Leben: Hannah (NICOLA WALKER) ©Sister 2019

1. Unterhaltung

Hannah Stern, Ende 40, arbeitet als Scheidungsanwältin in der Londoner City für die Reichen des Landes. Beim Unterhalt geht es um Millionenbeträge, wenn Frauen sich an ihren Ehemännern rächen wollen, trinken sie im Keller auf dem Boden sitzend deren Rotweinsammlung leer, und als das A und O einer gelingenden Ehe, die vor allem als Geschäft verstanden wird, wird der Ehevertrag gehandelt.

Während wir Hannah (Nicola Walker) dabei zusehen, wie sie mit welchen Tricks und Finten das Beste für ihre stets weiblichen Mandanten rausholt, sind wir gleichfalls Zuschauerinnen ihrer Versuche, sich aus ihrem familiären Spinnennetz zu befreien. Auch ihre Mutter ist eine berühmt-berüchtigte Anwältin für Familienrecht, ebenso eine ihrer Schwestern (ohne jedoch berühmt und berüchtigt zu sein) und bislang haben die drei gemeinsam die seit Traditionen in der Familie Defoe befindliche Kanzlei geführt. Hannahs Wechsel in die große Kanzlei Noble & Hale und die Annahme des Namens ihres Ehemannes sind der Versuch, dem dominanten Zugriff der Mutter ebenso zu entkommen wie ihren neurotischen Schwestern und dem gemeinsamen Trauma, als kleine Kinder von jetzt auf eben vom Vater verlassen worden zu sein.

Die Scheidungsfälle und das Gebaren in einer großen Anwaltskanzlei zu verfolgen, ist aufschlussreich und interessant, dem Auf und Ab der Frauenfiguren zuzuschauen, macht Spaß. Ruth Defoe, die Mutter, die als unangenehme Übermutter inszeniert wird, entpuppt sich als interessante Frau und Hannahs jüngere Schwestern Nina und Rose sind als Alkoholikerin und sich suchende Mittzwanzigerin gut angelegte Figuren, deren Leben zu verfolgen gute Unterhaltung ist.

Während man mit Barry Atsma als Hannahs ewigem Verehrer und neuem Kollegen bei Noble & Hale einen fast charismatischen Beau ins Drehbuch geschrieben hat, kommt ihr Ehemann Nathan etwas blass daher. Auch er ein Rechtsanwalt, auch ein gewiefter, und dennoch ein wenig wie Toastbrot, das man zu toasten vergessen hat. Und während sich nie irgendjemand um die drei gemeinsamen Kinder kümmert, ist es ungemein sympathisch, dass es im Haushalt der Sterns bei aller Zugehörigkeit zur sehr oberen Mittelschicht so unordentlich ist wie bei anderen Familien ohne Personal.

2. Die Scheidungsanwältin

Kaum irgendjemand dürfte so viel über die Abgründe des menschlichen Miteinanders wissen wie jemand, der Frauen und Männer im Rahmen ihrer Scheidung vertritt. Vermögen, Schwächen, sexuelle Vorlieben, psychische Probleme und die Gemeinheiten des Ehebetrugs – die Anwält*in kennt sie alle. Und je reicher, je prominenter die Klienten, desto höher die Fallhöhe. Was schert es uns, wenn ein Verwaltungsangestellter bei der Allianz seine Frau psychisch drangsaliert? Wie interessant hingegen ist es, wenn ein Star dies tut? Wenn es nicht um 800 € Unterhalt geht, sondern darum, die Villa zu überlassen, die Skihütte, die Picassos und die Hälfte der Firma?

In der Süddeutschen Zeitung erschien vor Kurzem ein Interview mit der Londoner Scheidungsanwältin Ayesha Vardag, 53, der wohl teuersten Scheidungsanwältin Englands. Sie nimmt Fälle erst ab einem Streitwert von 100 Millionen Pfund an. Auch dies liest sich bestens, weil es so viel zu staunen gibt. Zumindest, wenn der Streitwert der eigenen Trennung eher bei 100.000 € liegt.
So bringt es erhellenden Einblick, den Anwält*innen dabei zuzuschauen, wie sie die sich ihnen offenbarenden Abgründe nutzen, um ihren Klient*innen zu einer möglichst guten Lösung zu verhelfen.

Die bindende Kraft von Wut, Liebe, Verzweiflung und Hintergehung: Ruth (DEBORAH FINDLAY) und ihre Töchter Nina (ANNABEL SCHOLEY), Hannah (NICOLA WALKER), Rose (FIONA BUTTON) ©Sister

3. Die Frauenfiguren

Die Serie wäre nicht so interessant, würde neben den Trennungsfällen nicht auch vom familiären Geflecht der drei Schwestern und der dominanten Mutter erzählt werden. Ihre Bindung ist eine enge, eine intensive. In Bezug auf Nähe genauso wie in den Versuchen von Abgrenzung und Wut.

Hannah ist die älteste Tochter. Ernst und verantwortungsvoll und am kritischsten der Mutter gegenüber. Durch das Fortgehen des Vaters geriet sie sehr früh in die Rolle, ihren Schwestern eine Stütze zu sein, Halt und Orientierung zu geben. Die Zweitälteste, Nina, ist die unabhängigste der Figuren, aber auch die einsamste. Ungebunden und mit weniger Brillanz gesegnet als ihre Mutter und Hannah, fällt sie weniger durch ihren genialen Umgang mit den Fällen auf als durch ihren Drang, Dinge, die vielleicht lieber unausgesprochen bleiben sollten, vor versammelter Mannschaft kundzutun. Die jüngste der Schwestern ist die am wenigsten kapriziöse. Sie hadert mit ihrem Eheversprechen und zeigt eine junge Frau, die in der Kommunikation mit ihrem Partner kaum einen Unterschied macht, egal ob die Frage verhandelt wird, wer beim Sex oben liegt oder ob ein Hund angeschafft wird.

Die Mutter hingegen trägt jene Selbstgerechtigkeit zur Schau, die Frauen sich wie einen Panzer anlegen, wenn sie meinen, etwas zusammenhalten zu müssen. Dabei verrennt sie sich in ihrer Bevormundung und ihrer Absicht, das Beste für die Kinder zu wollen und zu tun. Während Hannah, im Verlauf der Serie gebeutelt von den Ereignissen, die steife Frau bleibt, die sie schon zu Anfang ist, macht Ruth die deutlichste Entwicklung durch.

Es ist vor allem das Gefüge der Figuren, die Absicht der Autorin Abi Morgan, Frauen in ihren innerfamiliären Konflikten und Verletzungen zu zeigen, das die Lust ausmacht zuzugucken. Geschickt sind die Figuren so angelegt, dass wohl jede Zuschauerin eine findet, die ihr nah ist, ohne dass die Konstellation als zusammengewürfelt empfunden wird.
Während wir Hannah (Nicola Walker) dabei zusehen, wie sie mit welchen Tricks und Finten das Beste für ihre stets weiblichen Mandanten rausholt, sind wir gleichfalls Zuschauerinnen ihrer Versuche, sich aus ihrem familiären Spinnennetz zu befreien. Auch ihre Mutter ist eine berühmt-berüchtigte Anwältin für Familienrecht, ebenso eine ihrer Schwestern (ohne jedoch berühmt und berüchtigt zu sein) und bislang haben die drei gemeinsam die seit Traditionen in der Familie Defoe befindliche Kanzlei geführt. Hannahs Wechsel in die große Kanzlei Noble & Hale und die Annahme des Namens ihres Ehemannes sind der Versuch, dem dominanten Zugriff der Mutter ebenso zu entkommen wie ihren neurotischen Schwestern und dem gemeinsamen Trauma, als kleine Kinder von jetzt auf eben vom Vater verlassen worden zu sein.

Die Scheidungsfälle und das Gebaren in einer großen Anwaltskanzlei zu verfolgen, ist aufschlussreich und interessant, dem Auf und Ab der Frauenfiguren zuzuschauen, macht Spaß. Ruth Defoe, die Mutter, die als unangenehme Übermutter inszeniert wird, entpuppt sich als interessante Frau und Hannahs jüngere Schwestern Nina und Rose sind als Alkoholikerin und sich suchende Mittzwanzigerin gut angelegte Figuren, deren Leben zu verfolgen gute Unterhaltung ist.

Während man mit Barry Atsma als Hannahs ewigem Verehrer und neuem Kollegen bei Noble & Hale einen fast charismatischen Beau ins Drehbuch geschrieben hat, kommt ihr Ehemann Nathan etwas blass daher. Auch er ein Rechtsanwalt, auch ein gewiefter, und dennoch ein wenig wie Toastbrot, das man zu toasten vergessen hat. Und während sich nie irgendjemand um die drei gemeinsamen Kinder kümmert, ist es ungemein sympathisch, dass es im Haushalt der Sterns bei aller Zugehörigkeit zur sehr oberen Mittelschicht so unordentlich ist wie bei anderen Familien ohne Personal.


The Beauty and the Toast: Christie (BARRY ATSMA), Nathan (STEPHEN MANGAN) ©Sister

Und der Haken? Einer?!? Drei!

Der erste Haken ist klein. Aber es fällt irgendwann auf, dass man die ganze Zeit nur Frauen mit Kleidergröße 38 zu sehen bekommt. Bis zum Ende von Staffel 2 sieht man nur eine „normale“ Frau und drei füllige bzw. dicke. Egal, ob Schauspieler*innen oder Kompars*innen – es ist ein Schaulaufen der schlanken, vom Erfolgsbild des Kapitalismus geformten Körper. Das ist weder real noch nötig, schließlich soll hier aus einer Kanzlei in Großbritannien erzählt werden und nicht aus einem Beauty-Contest. That sucks!, wie die Britin sagt.

Haken 2 ist groß und gewichtig. Den Fokus auf weibliche Top-Anwälte zu legen, ist als feministischer Zug zu lesen. Ebenso lässt es sich verstehen, dass Hannah ausnahmslos Frauen vertritt. Außerdem wird sie als toughe, aber sensible Frau gezeigt, die ohne jeden Zweifel ihre Karriere verfolgt. So weit, so schön. Das Schöne aber endet abrupt, wenn es um Hannahs Kinder geht und es als völlig indiskutabel betrachtet wird, dass die Teenage-Tochter Sex haben könnte oder gar verhüten. Und als ebendiese Tochter von ihrem ersten Freund verlassen wird, erzählt Hannah ihr allen Ernstes, dass eines Tages der Junge käme, der der Richtige sei und sie sich dann „vollständig“ fühlen würde und alles gut würde.
Bitte?!?

Und nun noch Haken 3. Ähnliches Gebiet. Wir wollen nicht darüber jammern, dass Hannahs ewiger Verehrer sie zu viele Folgen lang zu dämlich und wie ein geschlagener Hund anblickt. Dummer Mann, kommt vor. Aber dass in der zweiten Staffel die Dramatik in Hannahs Leben darauf hinausläuft, ein reaktionäres Weltbild von der Ehe als heilige Kuh zu inszenieren, ist ärgerlich.

Hannahs Ehe ist die Themse heruntergerauscht, der charmante Beau hat sie weichgeguckt und der Schlamassel ist da. Aber dass die Frau, die keine rechte Lust mehr auf ihren Ehemann hat und vom Beau auch nicht überzeugt ist, sich erst mal eine Auszeit nimmt oder man sich zu dritt arrangiert, kommt nicht infrage. Die Ehe ist der heilige Gral. Das Anzustrebende, die wärmende Sonne, das alleinige Glück. Fast meint man, in einer Pilcher-Schmonzette gelandet zu sein, so verblendet ist die gute Hannah ob der Idee der heilsbringenden Ehe. Das ist für ein, zumindest in gesellschaftlichen Fragen, sehr modernes England unglaubwürdig, ärgerlich und verdirbt den Spaß am Gucken.

Also vielleicht nur die erste Staffel sehen und dann noch mal Sex Education. Das ist auch britisch, aber weniger altmodisch.

Besprechung: Silke Burmester

„The Split – Beziehungsstatus ungeklärt“ britische Anwaltsserie, Staffel 1 und 2 in der arte Mediathek

Euch gefällt der Beitrag? Dann freuen wir uns über Eure Unterstützung via Steady. Danke!
Close