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Palais F*luxx

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Macht doch, was ihr wollt!

Jeden zweiten Mittwoch stellen wir Euch eine Frau vor, die ihr Leben umgekrempelt hat
oder mittendrin ist in der Veränderung

Heute: Silke Gerlach

Erfindet ihr Leben gerade komplett neu – Silke Gerlach
Foto: privat


Kein Job, kein Partner, das Kind aus dem Haus … Silke aus Berlin hatte den Mut für einen totalen Reset. Zum ersten Mal seit 20 Jahren lebt sie nun allein und merkt, wie ihre Energie langsam zurückkehrt. Was die Zukunft bringt? Keine Ahnung. Warum sie ein Ehrenamt in der Bahnhofsmission übernommen hat und welcher Killersatz sie geprägt hat, verrät sie uns im Gespräch.

Name: Silke Gerlach
Alter: 52 Jahre
Beruf: Ärztin
Wohnt in: Berlin
Motto: Do more of what makes you happy!

Du hast Dich kürzlich zu einem rigorosen „Cut” entschieden. Was war der Auslöser?
Als während der Corona-Zeit alles plötzlich so anders war und man auf das Essenzielle zurückgeworfen wurde, habe ich gemerkt, was mir wirklich wichtig ist und auch, was mir Energie raubt. Ich habe mich dann entschieden, dass ich nicht mehr so weitermachen wollte. Zum Glück hatte ich ein kleines finanzielles Polster aus einer Abfindung, so dass ich gehen konnte. Zusätzlich wurde meine Tochter im Sommer volljährig. Es war für mich also der perfekte Zeitpunkt, mein Leben neu zu erfinden. Ich denke trotzdem, dass es Mut erforderte, denn ich weiß momentan nicht, wie es für mich weitergeht.

Hast Du schon eine Idee, wohin die Reise für Dich geht?
Nicht wirklich. Ich frage mich, wie mein Leben ab jetzt in den nächsten fünf bis zehn Jahren so weitergehen wird. Für mich ist alles gerade ein totaler Neuanfang so ohne Arbeit und ohne Verantwortung für irgendjemanden oder -etwas. Wo geht mein Leben hin, möchte ich überhaupt wieder arbeiten und wenn ja was, wo werde ich leben? Ich mache mich gerade auf den Weg in eine ungewisse Zukunft mit der Überzeugung, dass mir das Richtige auf der Reise dahin irgendwie begegnen wird.

Auf was kannst Du in diesem Zusammenhang verzichten?
Auf mein Auto; das hat meine Tochter beim Umzug mitgenommen. Und auf Social Media. Ich schicke zwar auch mal ein Foto in unsere WhatsApp-Familiengruppe, aber ich umgebe mich lieber mit Menschen aus Fleisch und Blut. Ich kann nicht verstehen, warum Menschen ihr Leben minutiös mit der Kamera festhalten und dann mit lauter Fremden teilen, man sollte lieber im Moment sein und ihn genießen.

Und was motiviert Dich?
Genau das treibt mich im Leben an und gibt mir Energie: Interaktionen mit anderen: gute Gespräche, neue Menschen treffen, die ein komplett anderes Leben führen als ich. Das zeigt mir andere Welten auf und erweitert den Horizont. Außerdem liebe ich Reisen an Orte, an denen ich noch nicht war, genauso wie neue Erlebnisse. Dinge, die man getan oder erlebt hat, behält man im Kopf; das ist für mich der wichtigste Besitz.

Wie sieht Dein beruflicher Werdegang aus?
Als Kind wollte ich Sängerin werden, am liebsten Musicaldarstellerin. Ich stand gerne auf der Bühne, hatte auch „Darstellendes Spiel” in der Schule. Ich hatte immer ein Faible fürs Show-Business.

Mein Vater meinte: Du hast es eher im Kopf als in der Kehle; das war irgendwie ein Killersatz – ich war damals noch wenig selbstbewusst. Da Biologie und die naturwissenschaftliche Richtung mich auch interessierten, habe ich dann zunächst eine Laborantenausbildung gemacht und danach sofort Medizin studiert – und noch promoviert.

Das klingt nach schnurgerader Karriere …
Was weiß man denn schon über sich selbst nach dem Abi? Ich dachte, Forschung wäre total mein Ding, habe dann aber gemerkt, dass ich gar nicht der Typ dafür bin und habe ins Marketing gewechselt. Ich war aber eigentlich über viele Jahre im Job immer auf der Suche und habe öfter die Stellen gewechselt. Die Arbeit hat mich nicht erfüllt, aber eine sichere Anstellung aufgeben? Ich dachte auch immer, ich kann ja nichts anderes und musste auch meine Tochter großziehen, also bin ich geblieben.

Hast Du Lust, etwas völlig Neues auszuprobieren?
Ich habe diese Woche zum ersten Mal ehrenamtlich bei der Bahnhofsmission gearbeitet. Da sieht man Menschen, die es wirklich schwer haben im Leben.

Was bedeutet Erfolg bzw. Misserfolg für Dich?
Als meinen größten Erfolg bezeichne ich tatsächlich nicht meinen Doktortitel oder das, was ich im Job erreicht habe, sondern meine Tochter. Sie ist jetzt ausgezogen, ist schon so viel weiter im Kopf als ich in dem Alter und auf einem guten Weg, ihr eigenes Leben zu gestalten. Ich finde es toll, das zu sehen und sie weiter begleiten zu dürfen – und freue mich, dass wir nach einer sehr schwierigen Pubertätsphase im Corona-Lockdown jetzt wieder ein sehr enges Verhältnis haben und jeden Tag miteinander sprechen. Mein größter Misserfolg ist wahrscheinlich meine Trennung im Jahr 2009, und dass ich danach nie wieder einen neuen Partner gefunden habe, sondern 13 Jahre lang Single-Mutter war. Ich habe mir immer zwei Kinder und ein Leben als Familie gewünscht; das war mein größter Wunsch und nie Karriere oder Geld. Das habe ich leider nicht erreicht. Ich hätte gerne noch eine Patchwork-Familie gehabt und wollte meiner Tochter ein „richtiges” Familienleben bieten. Aber wie ein Freund von mir immer sagt, „unter jedem Dach ein Ach”, denn Patchwork ist natürlich auch schwierig. Und so hatten meine Tochter und ich wenigstens ein stabiles Leben mit Liebe und Vertrauen und haben ganz viel gemeinsam erlebt.

Was ist Dein Rat an Frauen, die sich in der Mitte des Lebens neu aufstellen wollen?
Wenn Dich etwas unglücklich macht, ändere es. Du hast nur dieses eine Leben! Das ist natürlich leicht gesagt und ich weiß, dass ich das aus einer privilegierten Situation heraus sage. Meine Schwester war zum Beispiel gerade ein Jahr lang wegen Burnout krankgeschrieben. Tatsächlich denke ich, dass man nie weiß, wie lange man noch fit und lebendig ist. Also sollte man sich nicht den ganzen Tag mit Dingen beschäftigen, die einen unglücklich machen. Ich habe mir erst jüngst sagen lassen, ich sei regelrecht aufgeblüht, seit ich den Job aufgegeben habe.

Dein aktuelles Lebensgefühl?
Ich fühle mich gerade frei und bin glücklich so. Frei, da ich nach 20 Jahren zum ersten Mal wieder allein lebe, mich mit niemandem abstimmen muss, nicht jeden Tag eine Leistung erbringen muss, sondern tun und lassen kann, was ich will und jeden Tag einfach lebe. Ich stehe auf, wann ich will, esse was und wann ich will, muss für niemanden sorgen und habe auch gerade keine Sorgen. Das empfinde ich als Glück und wahren Luxus.

Was empfindest Du heute anders als noch vor 20/30 Jahren?
Ich bin jetzt viel selbstbewusster. Ich dachte immer, alle anderen sind besser als ich, dabei können sich die meisten nur besser verkaufen – und wissen oder können auch nicht mehr. Ich kenne mich jetzt viel besser und weiß, worin meine Stärken liegen und was mir guttut.

Vielen Dank!

Das Interview führte Gerlind Hector, die Silke für ihren Mut bewundert, sich „in diesem Alter“ nochmal völlig neu aufzustellen. Sie beobachtet in ihrem Umfeld viel zu viele Frauen, die in einem Leben verharren, das sie eigentlich unglücklich macht – egal ob blöder Partner oder doofer Job. Vielleicht fangen wir ganz klitzeklein an und sagen einfach mal öfter „Nein”, wenn uns was nervt! Ihre Message an Silke: Go, Silke, go!


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